Ansprache des Präsidenten der Republik Kuba, Fidel Castro Ruz, beim Treffen mit dem Nationalen Studentenbund in Belo Horizonte, Brasilien, am 1. Juli 1999
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Liebe Freundinnen und Freunde!
Ich habe nicht die geringste Ahnung, ob die Lautsprecher funktionieren. Funktionieren sie? (jemand sagt ihm etwas) Ich habe einen weiteren Zweifel: Versteht Ihr mein Spanisch (Ausrufe), denn wenn es keine Lautsprecher gibt und ich mich nicht mit Euch unterhalten kann, was mache ich dann hier?
Gestattet mir, etwas zu sagen: Ich kann die Rede, die ich vielleicht gerne halten würde, nicht halten. Es ist falsch, wenn ich von Reden spreche, denn normalerweise halte ich keine Reden. Ich unterhalte mich mit den Personen, an die ich mich wende (Beifall und Ausrufe). Ich mußte mir vorstellen, wie dieser Ort aussehen würde, ob er geeignet oder ungeeignet für eine Überlegung sei.
Ich sehe Euch, ich würde sagen, auf eine elegante Weise, auf dem Boden sitzen. Ich stellte mir vor, daß man ein paar Stühle hinstellen würde, aber ich vergaß, daß der Studentenbund Brasiliens nicht über viele Mittel für die Anmietung von Stühlen verfügt. Vor kurzer Zeit sprach ich zu den venezolanischen Studenten in der Aula Magna und dort waren ca. 1.200 Studenten anwesend, während draußen einige Tausend standen - Warum protestieren diese Leute?- Hört Ihr nicht? (Lachen und Beifall)-, es war ein ganz anderer Ort als dieser. Ich mag keine Stadien für Kundgebungen oder Aktivitäten. Ich werde nicht alles sagen, was ich Euch heute hätte sagen können, um den Versuch zu wagen, mich kurz und bündig zu fassen. Habt Ihr gehört? Ich bin bekannt für meine langen Reden.
Wir sind spät gekommen, nicht weil wir die Verspätung geplant hätten, sondern weil sich andere Aktivitäten ergaben und wir aus diesem Grund nicht um 15.00 Uhr hier sein konnten. Es ist schon später als 17.00 Uhr, und leider findet auch ein großes Fußballspiel statt, weshalb ich gezwungen bin, mich kurz zu fassen.
Ich habe Euch im Voraus zwei Sendungen mit jeweils 5.000 Broschüren geschickt: Die eine Broschüre enthält die Ansprache vor den venezolanischen Studenten an der Zentraluniversität von Venezuela, 40 Jahren nach meinem ersten Aufenthalt dort am selben Ort. Ich versuchte, näher auf einige Aspekte unserer Hemisphäre und unserer Welt einzugehen. Ich brauche sie nicht zu wiederholen. Ich bitte Euch nur darum, uns die Ehre zu erweisen, die Broschüre zu lesen, wenn Ihr nichts zu tun habt. Die zweite enthält meine Ansprache anläßlich des Kongresses für Kultur und Entwicklung, der vor knapp einem Monat stattfand und an dem ca. 1.000 Gäste, darunter ca. 500 Ausländer, teilnahmen. Ich brauche die dort erwähnten Aspekte nicht zu wiederholen, weil ihr eine Kopie dieser Ansprache bekommen werdet. Warum sie also wiederholen?
Ich hatte einige Dokumente mitgebracht, aber ich brauche sie nicht, so z.B. die auf der Gipfelkonferenz gehaltenen Ansprachen, nämlich eine dreieinhalbminütige Rede und eine weitere, die ca. 7 Minuten gedauert hat. Nichts weiter. Ein Genosse hat auf das Thema hingewiesen.
Was ich jetzt wissen möchte....(Man hört Explosionen) Sind das Bomben oder was? Oder das Vorspiel einer Invasion der NATO? Was explodiert hier? (Lachen) Ich möchte wissen, was Euch interessiert, oder was ich Euch sagen oder erklären soll (Ausrufe). Jemand soll für mich übersetzen, was sie gesagt haben. Du, du kannst gut hören und kannst "brasilianisch" (Man sagt ihm, daß die Studenten den Comandante grüßen und daß es solidarische Grüße seien).
Zunächst muß ich sagen, daß anzunehmen ist, daß Ihr viele Fragen über Euer Land, über Lateinamerika und die Karibik und über die Welt habt. Die Fragen über Euer Land kann und darf ich nicht beantworten, weil ich hier ein Eingeladener und ein Besucher bin, der sich nach der strikten Regel richten muß, keine Urteile über dieses Land abzugeben.
Zur besseren Verständigung dessen, was ich sage, muß ich Euch erklären, daß ich wirklich eine große Genugtuung erlebte, als ich erfuhr, daß 24 Stunden nach dem Abschluß der Gipfelkonferenz der Kongreß der brasilianischen Studenten stattfinden würde, an dem Tausende von Delegierten aus allen Universitäten teilnehmen würden. Sie erwiesen mir die große Ehre, mich zum Kongreß einzuladen, zumindest für einige Minuten. Von dem Moment an, als ich von eurem Interesse erfuhr (Beifall), spürte ich Lust, Freude, Stolz und Hoffnungen, und ich war entschlossen, alles Mögliche zu tun, um hierher zu kommen.
Aber seht, um welche zwei Veranstaltungen es sich handelt: die eine versammelte 48 Staats- oder Regierungschefs, ca. ein Drittel lateinamerikanischer Herkunft, mehr oder weniger ein Drittel Europäer - ich sage nicht mehr oder weniger Europäer, sondern mehr oder weniger ein Drittel der dort Anwesenden - und eine ähnliche Anzahl von Regierungschefs aus der Karibik. Zum ersten Mal fand das große Ereignis statt, daß sich karibische und lateinamerikanische Regierungschefs treffen, weil die karibischen Länder normalerweise in Vergessenheit geraten. Sie waren die letzten, die die Unabhängigkeit erreichten. Als die kubanische Revolution siegte, war fast keines dieser Länder unabhängig. In den letzten 30 bzw. 40 Jahren haben diese Länder nach und nach den Status eines unabhängigen Landes erreicht.
Als Lateinamerika seine Beziehungen zu Kuba abgebrochen hatte, wir absolut allein blieben und aus der OAS ausgeschlossen wurden, wofür wir ihnen ewig dankbar sind (Beifall), gehörten die karibischen Staaten nicht zur OAS, weil sie keine unabhängigen Staaten waren. Danach, als sie bereits freie Staaten waren, waren sie es, die zusammen mit den von Torrijos angeführten Panamesen darum kämpften, die Isolierung Kubas zu beenden. Und so wurden die Beziehungen zwischen Kuba und den lateinamerikanischen Ländern allmählich wiederhergestellt, mit einigen Ausnahmen, die auf irgendeine Weise eine Interessenvertretung in Kuba oder bestimmte Beziehungen zu uns haben.
Die karibischen Staaten sind heute als unabhängige Staaten die engsten und standhaftesten Freunde Kubas (Beifall). Deshalb haben wir uns über eine Gipfelkonferenz gefreut, an der sie teilnehmen würden. Ja, es gab zwei weitere Gipfelkonferenzen, nämlich den sogenannten Gipfel von Amerika, zu dem wir nicht eingeladen werden, weil wir allem Anschein nach Mondbewohner sind. Bei dieser Konferenz waren wir sehr wohl Mondbewohner.
Vorher hatte uns Mexiko zu einem lateinamerikanischen Gipfel eingeladen, der erstmals ohne die Anwesenheit der USA stattfand. Die Mexikaner hielten dem Druck stand und gaben Kuba, dem Aschenbrödel der Hemisphäre, einen kleinen Platz auf dieser Konferenz. Seitdem sind wir dort vertreten.
Diesmal gab es die Möglichkeit, daß die Staatschefs der Karibik, Lateinamerikas und Europas, nicht aus ganz Europa, sondern der 15 Mitgliedstaaten der Europäischen Union, zusammenkommen. Es war zweifelsohne ein wichtiges Treffen, weil es unbestreitbare Widersprüche zwischen den europäischen und den US-amerikanischen Interessen gibt.
Die USA wollen ganz Lateinamerika und die Karibik mittels des sogenannten FTAA, des Freihandelsabkommens für Amerika, verschlingen. Kuba sagen sie, wie ich bereits erwähnte, "Raus!", trotz der starken Opposition der karibischen Staaten und einem mehr oder weniger festen Widerstand einiger lateinamerikanischer Länder.
Meiner Auffassung nach war dieses Treffen sehr wichtig, weil diese europäischen Länder, die auch unabhängig sein wollen, sich mit uns aus Lateinamerika und der Karibik trafen, die wir ebenfalls unabhängig sein möchten.
Jemand erwähnte hier - ich glaube, es war der intelligente und enthusiastische junge Mann dort - einige kritische Aspekte des Treffens. Und ich wäre mit jeder Kritik einverstanden, weil ich dort ziemlich heftige Kritik äußerte. Keine Kritik des Treffens, sondern von bestimmten Konzepten und Ereignissen, die es auf der Welt gibt.
Der Aspekt, den er bezüglich des Helms-Burton-Gesetzes erwähnt, hat seine Geschichte. Unsere Delegation hatte als Ergebnis von Analysen und gemeinsamen Überlegungen mit den Lateinamerikanern einen Absatz erarbeitet, der interessanterweise von den Europäern akzeptiert wurde und besagte, daß sie sich jeglichem Gesetz und jeglicher Handlung extraterritorialen Charakters widersetzen, besonders oder etwa so wie im Fall des Helms-Burton-Gesetzes. Die Dokumente der Gipfelkonferenzen erfordern jedoch eine mühsame Arbeit, vor allem, wenn es um entgegengesetzte Interessen geht. Und es gab allerhand davon. Zum Beispiel widersetzten sich die Europäer einstimmig und geschlossen jeglichem Bezug auf die Verteidigung der UNO-Charta, die Verurteilung einer Intervention in andere Länder und die Verteidigung der nationalen Souveränität. Das heißt, es handelte sich um einen Absatz, der mit den Aspekten nationale Souveränität, Recht auf Nichteinmischung und Selbstbestimmung das enthielt, was für die große Mehrheit der Welt gestern und heute, und vielleicht heute mehr denn je, heilige, lebenswichtige und nicht zu verhandelnde Rechte darstellen (Beifall).
Wir machten uns darüber Sorgen, als wir am Sonntag von Havanna abflogen. Das Treffen der Außenminister begann am Sonntag und die Gipfelkonferenz am Montag. Die erwähnten Punkte wurden während der sogenannten Expertentreffen debattiert und man einigte sich dort im Hinblick auf einige Aspekte: Die Forderung mehrerer lateinamerikanischer Länder nach einem Absatz, in dem - es sind zwei verschiedene Sachen, die dennoch eng miteinander verbunden sind - der Bezug auf das Helms-Burton-Gesetz beibehalten werden sollte. Unser Experte, der stellvertretende Außenminister, kämpfte dort hart darum, damit dieser Bezug auf jenes Gesetz bei voller Namensnennung beibehalten wurde. Zugleich war aber noch die äußerst gerechte Forderung anderer Länder offen, daß die anderthalb Zeilen nicht nur das Helms-Burton-Gesetz beinhalten sollten, denn der Wortlaut des Absatzes lautete mehr oder weniger so: "der extraterritoriale Charakter der Gesetze im Bereich des Handels, wie das Helms-Burton-Gesetz".
An diesem Abend konnten sie sich nicht ganz einigen. Am Sonntagvormittag tauchte die folgende Formulierung auf: die Europäer haben anderthalb Zeilen über das Thema akzeptiert. Es gab ein breiteres Konzept, d.h. die Erklärung war gegen jegliche Form von extraterritorialen Handlungen gerichtet. Dabei haben sie die Gelegenheit genutzt, um den Bezug auf das Helms-Burton-Gesetz zu streichen. Gut, es blieb noch offen für den Sonntag. Am Samstag, eine Viertelstunde vor Mitternacht, informierte uns unser Außenminister von Rio aus darüber, daß Europa folgendem klaren Absatz zugestimmt habe:
"Diese strategische Vereinigung beruht auf der vollen Achtung des Völkerrechts und auf den Absichten und Grundsätzen der UNO-Charta, auf den Prinzipien der Nichteinmischung, der Achtung der Souveränität, der Gleichheit zwischen den Staaten und der Selbstbestimmung".
Es fehlt einfach nur noch, ob der Name und der Begriff des Helms-Burton-Gesetzes erscheint. Wir analysierten es, denn es stand das Treffen der Außenminister vor der Tür und über diesen Punkt konnten sie sich nicht einigen. Als wir ankamen, sagten wir unseren Vertretern: "Zu diesem Zeitpunkt ist das Erreichen dieses Absatzes über Nichteinmischung, Souveränität etc. ein großer Erfolg, angesichts dessen die Erwähnung oder Nichterwähnung der Herren Helms und Burton unwichtig ist, vor allem dann, wenn in diesen anderthalb Zeilen jeder Anspruch von Extraterritorialität abgelehnt wird." Und ich sagte ihnen: "Vergeßt diese beiden Herren, denn sie sind es nicht wert, in einem solchen Dokument aufzutauchen, und sie haben schon genügend Ansehen verloren. Wir werden das Gipfeltreffen, bei dem es so viele Dinge zu diskutieren gibt, nicht mit der Frage dieses winzigen Punktes beginnen, bei dem nur darüber gestritten wird, ob die Namen dieser Herren auftauchen oder nicht."
Einige Nachrichten haben gemeldet, daß Kuba geschlagen und verbittert sei. Doch das Gegenteil ist der Fall. Wir waren glücklich, weil der Schlüsselaspekt, der strategische Aspekt, der Absatz war, den die Europäer auf keinen Fall einbeziehen wollten und der sich auf die Nichteinmischung, die Achtung der Souveränität etc. bezog. Das ist die Geschichte bezüglich dieses Punktes.
Ich sage ganz offen, daß die Positionen Kubas gestärkt wurden. Viele der Punkte, die einbezogen wurden, gingen auf die Initiative Kubas zurück und erhielten die Unterstützung von einer Reihe von lateinamerikanischen Staaten, denn es sind nicht wenige lateinamerikanische Staaten, die sehr sensibel auf die Idee eines Rechts der NATO und der USA reagieren, zu jedem Zeitpunkt, an jedem Tag und unter jeglichem Vorwand Bomben und Raketen auf die Städte, Industrieanlagen und, was das Schlimmste ist, auf die Bevölkerung eines Landes zu werfen (Beifall).
Seid sicher, daß unsere höchstillustren Nachbarn aus dem Norden dieses Gipfeltreffen weder wollten noch über seine Abhaltung und die erzielten Ergebnisse glücklich sind, auch wenn diese sehr weit davon entfernt sind, unsere Hoffnungen zu befriedigen. In dem besagten Fall bin ich aber sicher, daß unsere Hoffnungen befriedigt wurden, weil wir uns dessen bewußt waren, daß man nicht mehr von einem Treffen dieser Art erwarten konnte. Aber ich verstehe, daß Millionen und Abermillionen von Personen mit großen und gerechten Beunruhigungen sich mit einem Dokument dieser Art nicht zufrieden fühlen können, das meines Erachtens ein erster Schritt sein sollte.
Einstweilen benutzten wir die Gelegenheit, um mit zahlreichen europäischen Führungspersönlichkeiten zu diskutieren und ich wagte, einen Redebeitrag zu bringen, der als schwierig, hart und gewissermaßen kühn bezeichnet werden könnte, da ich einfach eine Wasserbombe fallen ließ und mich auf zwei oder drei sensible Punkte bezog. Man sagt, daß die Luft dort mit einem Schwert zerschnitten werden konnte. Als ich endete, spürte ich, daß das Blut dort gefroren war. Und noch etwas mehr: Nach meinem Redebeitrag, den ich fast am Ende dieser Sitzung brachte, als ich nach gründlicher Überlegung entschied, daß es mein Pflicht sei, diese Frage zu stellen, wofür ich nur über vier Minuten verfügte, sagte der brasilianische Präsident, der in diesem Moment die Sitzung leitete, wobei drei Präsidenten diese Funktion abwechselnd erfüllten, unmittelbar darauf folgendes: "Diesen wichtigen und sensiblen Punkt müssen wir während des privaten Treffens der Delegationsleiter diskutieren". Während dieser Gipfel finden solche Sitzungen statt, an denen nicht alle Delegationen, sondern nur die Staats- und Regierungschefs teilnehmen, um ausführlicher über ein beliebiges Thema zu sprechen. Er sagte es sofort, nachdem ich zu reden aufhörte, und wiederholte es am Ende der Sitzung, bevor das Privattreffen begann. Es gab dort 15 europäische Führungspersönlichkeiten, von denen 11 aus NATO-Mitgliedstaaten kamen.
Und was hatte ich getan? Dies alles geschah in Anbetracht dessen, daß es eine Erklärung gab und daß am 24. April 1999 eine feierliche Erinnerungsveranstaltung in Washington stattfand, und zwar einen Monat nach dem Beginn des Blutbades und des Völkermordes in Jugoslawien. Es handelte sich um eine Erklärung über die NATO-Prinzipien, die von einer scheinbaren Euphorie begleitet war, die keine Grundlage hatte, weil sie glaubten, daß die Bombemangriffe drei Tage dauern würden und weil die weniger optimistischen Personen glaubten, daß sie fünf Tage dauern würden. Das serbische Volk leistete jedoch einen Monat später noch Widerstand... Und paßt auf! Wenn ich von dem serbischen Volk spreche, spreche ich von Millionen von Frauen und Männern, Kindern und Alten, aber besonders von Kindern, schwangeren Frauen, Zivilisten sowie von Personen, die keine Schuld an irgendetwas tragen, außer an ihrer Aufopferungsfähigkeit, an ihrem Mut zum Sterben oder an ihrer Bereitschaft, die Ihr auch habt, patriotische Hymnen und lustige Lieder zu singen, während sie mit ihren Körpern die Brücken schützten, die lebenswichtig waren, weil sie die beiden Seiten der Hauptstadt verbanden.
Es hielten sich dort drei Diplomaten auf, drei von unseren Kollegen, die ein Handy hatten und täglich mit uns telefonierten. Ich stellte ihnen z.B. eine einzige Frage: Wie ist die Stimmung der Bevölkerung angesichts der Bombenangriffe? Die Antwort erstaunte mich: "Sie geben weiterhin jeden Tag ihre Konzerte zu einer bestimmten Uhrzeit und Tausende von Personen nehmen daran teil. Das Volk hält eine sehr hohe Moral aufrecht". Wir dachten dabei nicht an die Regierungen, weil wir die Beschuldigungen, die gegen die Regierung Jugoslawiens erhoben werden, weder bestätigen noch dementieren können. Dies bezieht sich auf die Beschuldigungen hinsichtlich der ethnischen Säuberungen, die beiderseitig stattgefunden haben, seit Europa unverantwortlicherweise Jugoslawien zerlegte, wo diese Volksgruppen 45 Jahre lang trotz ihrer nationalen, religiösen, kulturellen und ethnischen Verschiedenheiten in Frieden gelebt hatten.
Als der Westen mit Europa an erster Stelle Jugoslawien zerlegte, begannen die Kriege und die beiderseitigen Massenmorde zwischen den Völkern, die dasjenige Jugoslawien gegründet hatten, das fast fünfzig Jahre lang in Frieden lebte (Beifall).
Wie ich schon einigen europäischen Führungspersönlichkeiten gesagt habe, gibt es keine ethnische Säuberung, kein Verbrechen, die den Völkermord an einem Volk von Millionen von unschuldigen Personen rechtfertigen (Beifall und Ausrufe), und aus diesem Grund haben wir eine politische Lösung des Problems gefordert. Eines Tages könnten bestimmte an verschiedene Orte geschickte Botschaften veröffentlicht werden, in denen wir von Anfang an den kolossalen Fehler, den sie begingen, analysierten, und in denen wir mit fast völliger Genauigkeit vorhersagten, was geschehen würde und was tatsächlich bis zu dem Tag geschah, an dem ein außerordentlich gewaltiger Druck die Regierung dieses Landes dazu zwang, die Bedingungen der NATO zu akzeptieren, und zwar unter dem scheinheiligen Titel einer politischen Lösung, die darin bestand, alle Forderungen der Angreifer zu akzeptieren.
Der Druck ist keine Rechtfertigung für die Entscheidungen der Regierungen, er ist keine Rechtfertigung! Denn ich kann Ihnen versichern, daß wenn es sich um Kuba handeln würde, ein Land, das sich seit vielen Jahren ständig der Gefahr solcher und noch schlimmerer Dinge ausgesetzt sieht, so wäre es bereit, standzuhalten, so wie es 40 Jahre lang standgehalten hat. Und wenn eines Tages ein Sturzregen von Bomben auf unsere kleine Insel fällt, bin ich sicher, daß sich unser Volk so heroisch wie die Serben verhalten würde (Beifall), und selbstverständlich bräuchten wir keine Vermittler, wie wir bereits neulich sagten, denn wir würden sie nur empfangen, wenn die Angreifer sie mit der Mitteilung schickten, daß sie ihre Niederlage eingestehen und sich aus dem Land zurückziehen oder daß sie die Angriffe einstellen (Beifall).
Eine Regierung kann auf einen Druck reagieren oder nicht; wir könnten ein Lied davon singen, was die führenden Persönlichkeiten unseres Landes machen würden, wenn wir eines Tages den Schmerz nicht aushalten könnten, dabei zuzusehen, wieviel zerstört wird und wieviel geopfert wird, obwohl wir wissen, daß es nichts heiligeres gibt als die Freiheit und daß nichts heiliger ist als die Würde. Was ist schon ein Mann oder eine Frau ohne Würde? Was ist ein Mann oder eine Frau ohne Freiheit, ohne Vaterland und ohne die Bereitschaft, alles zu opfern? Und so hat es mehr als ein Volk in der Geschichte gemacht, statt zu kapitulieren und den Forderungen der brutalen Aggressoren nachzugeben. Für diesen Fall gibt es immer ein leichtes und einfaches Mittel, nämlich dorthin zu gehen und sich den herunterfallenden Bomben auszusetzen, um unter ihnen zu sterben. Das ist die einzige Alternative, die nach unserer Auffassung und gemäß unseren Werten jene leitenden Persönlichkeiten hätten, die sich entschlossen haben, um jeden Preis zu kämpfen.
Eigentlich konnten die Serben nicht mehr verlieren als das, was sie bereits verloren hatten; sie konnten nicht mehr Zerstörung erleiden als die, die sie bereits erlitten hatten. Sie hatten nichts mehr zu verlieren. Ich drücke nur einen Standpunkt aus, denn wir kritisieren niemanden.
Mehr als einmal in unserem Leben kamen Revolutionäre zu uns und sagten: "Es gibt eine Chance für den Frieden, wir haben diese oder jene Alternative"; ich habe ihnen immer geantwortet - unter bestimmten Umständen, aber vor allem nach dem Zusammenbruch des sozialistischen Lagers -: "Ihr seid diejenigen, die entscheiden müssen." Man darf niemals einem anderen empfehlen, er solle verhandeln oder sterben. Man darf nur sich selbst raten, zu sterben. "Wir respektieren eure Entscheidung. In einer Situation wie dieser wüßten wir zweifelsohne, was wir unter solchen Umständen machen würden." Es ist eine Frage der Philosophie, eine Frage der Auffassung. Daher war es ein sehr wichtiges Thema.
So habe ich an diesem Tag des Gipfels in zwei Seiten - und ich werde es nicht vorlesen - vier Punkte und drei Fragen vorgetragen. Das waren vier Punkte, die wir unter den 16 Punkten der NATO-Erklärung vom 24. April auswählten, in der sie das Recht zur globalen Intervention ausrief. Dazu noch drei Fragen. Bei einer dieser Fragen ging es um die Erklärung der Europäischen Union über die Souveränität, etc.. Und ich fragte sie - und dies ist die einzige Frage, die ich vorlesen werde -: "Bedeutet dies, daß sich auch die Vereinigten Staaten verpflichten, die in dieser Vereinbarung ihrer Verbündeten enthaltenen Prinzipien einzuhalten? Welche wird die Haltung Europas sein, wenn die Vereinigten Staaten einseitig entscheiden, unter irgendeinem Vorwand auf irgendeines der hier versammelten lateinamerikanischen und karibischen Länder Bomben und Raketen zu werfen?"
Das war eine Frage - ich weiß nicht, ob das die 1 Million-Dollar-Frage war, wie man so schön sagt - aber es gab noch zwei ähnliche, bei denen wir zum ersten Mal das Thema der Weiterverbreitung von Nuklearwaffen ansprachen, die von den Vereinigten Staaten unterstützt, geduldet und verschwiegen wurde. Es war ein seltsames und über Jahre hinweg hermetisches Schweigen in bezug auf ein Land, das über rund 300 Nuklearwaffen im Nahen Osten verfügt. Und dies ist - gemäß der NATO und ihrem neuen Konzept - eine der Ursachen, aufgrund derer eine bewaffnete Intervention ausgeführt werden könnte. Ich hatte sie gefragt, ob sie eines Tages Tausende von Bomben auf jenes Land und seine Städte, auf jenes Land und seine Bevölkerung, die sich aus verschiedenen Ethnien zusammensetzt, werfen würden, und ob es etwa zivilisiert sei, nach solchen Formeln zur Lösung des Problems zu suchen, wobei wir selbstverständlich mit voller Kraft sagten, daß es ein Verbrechen sei, eines Tages als Folge dieser von ihnen unterstützten Weiterverbreitung von Nuklearwaffen einen Völkermord gegen die Männer, Frauen, Kinder und alten Menschen, die in diesem Land wohnen, zu versuchen.
Ich sage nicht mehr und werde keine Namen nennen. Drei Fragen, von denen keine auch nur die geringste Antwort erhielt.
Nicht einmal dort bei diesem Privattreffen hob irgendjemand der Vertreter Europas die Hand, um zu sagen: "Ich möchte auf die Fragen antworten, die vom Präsidenten Kubas gestellt wurden." Kein einziger.
Ich hatte bereits ein Arsenal von weiteren Papieren, wahrte eine respektvolle Stille und wartete während des ganzen Treffens darauf, daß irgendjemand über die Themen sprechen würde, bezüglich derer die zu diesem Zeitpunkt die Sitzung leitende Person zwei Mal um eine Antwort bat. Das ganze kann man '3 Fragen ohne Antworten' nennen.
Ich muß hinzufügen, Genossinnen und Genossen, daß es heutzutage auf der Welt einige Fragen ohne Antworten gibt. Es gibt zum Beispiel den Holocaust an den Serben, der nach der Invasion Jugoslawiens durch die Nazis stattfand, mit Konzentrationslagern wie denen von Dachau und Auschwitz, wo zusammen mit anderen Lagern und Tötungsarten 675.000 Serben - Männer, Frauen und Kinder-, schlichtweg ausgerottet wurden und worüber der Westen nicht ein einziges Wort verloren hat.
Wenn wir Wahrheiten suchen, dann sage ich Euch, unabhängig von Euren politischen Anschauungen oder Euren Mitgliedschaften in bestimmten Parteien, daß es eine Reihe von Fragen und eine Reihe von Antworten gibt, die notwendigerweise geklärt werden müssen, und sei es auch nur, um Scheinheilige zu entlarven, Scheinheiligkeiten zu zerstören und dafür, damit die Welt Bewußtsein über die Realitäten von heute erlangt, die unsere Waffen sein werden, um diejenige Welt zu erreichen, die Ihr anstrebt.
Ich hörte hier, daß über Brasilien gesprochen wurde und über die Einheit der Brasilianer, um das brasilianische Vaterland zu erreichen, von dem Ihr träumt, doch ich sage, daß dies nicht die Zeiten sind, um an das eigene Vaterland zu denken, denn man muß in Kategorien des lateinamerikanischen und karibischen Vaterlandes denken (Beifall), dasjenige, welches auch hier durch die OCLAE (Lateinamerikanischer Studentenorganisation vertreten ist.
Es sind die Zeiten gekommen, um an das weltweite Vaterland zu denken, es sind die Zeiten gekommen, um an die Welt zu denken, denn diese Welt hat sich unerbittlich globalisiert, und zwar unter der Philosophie des grausamsten und traurigsten der Konzepte oder Konzeptionen, nämlich einer globalisierten Welt unter der Schirmherrschaft einer einzigen Supermacht und mit dem Ziel einer unipolaren Welt, nicht um sie zu retten, sondern um sie zu zerstören (Beifall), nicht um die Gerechtigkeit hervorzubringen, die wir alle brauchen, sondern um uns noch mehr zu versklaven, wenn dies möglich ist, um uns noch mehr auszuplündern, wenn dies möglich wäre, um uns noch mehr zu erniedrigen, um unsere Träume zu zerstören, die jedoch unzerstörbar sind (Beifall), und um unsere Kulturen zu zerstören, die wir bewahren und vervielfachen müssen, denn Einheit bedeutet nicht das Ende der Kulturen. Einheit, Integration und Gerechtigkeit bedeuten die Möglichkeit, all das zu bewahren, was wir lieben. Kultur heißt Vaterland, das niemals aufhören würde zu existieren, wenn wir auch zu einem Maximum an Einheit und Integration gelangen würden.
Wir träumen nicht von einer Welt, die von einer einzigen universellen Kultur geleitet wird (Beifall), sondern von einer Welt, in der alle Kulturen überleben und sich entwickeln, einer Welt, in der alle Sprachen überleben und sich entwickeln, wenn wir auch einige erfinden oder benutzen oder gar nötigenfalls konfiszieren, denn eine Sprache kann einer guten und einer schlechten Sache dienen. Englisch zum Beispiel, die Nationalsprache des Superimperiums, dient heutzutage einer schlechten Sache, doch die englische Sprache, genauso wie die spanische und die französische und jede andere der gängigen Sprachen, kann auch für eine gute Sache genutzt werden.
Karl Marx zum Beispiel sprach Deutsch, doch er benutzte diese Sprache nicht für die gleichen Ziele wie Adolf Hitler. Er benutzte sie für eine gerechte, brüderliche und menschliche Welt. Und viele US-Amerikaner benutzen die englische Sprache, um gerechte Anliegen zu verteidigen. Mögen alle Sprachen überleben! In den letzten Jahren sind bereits 2.000 von den 6.000 oder 7.000 verlorengegangen, die es auf der Welt gab. Und man schätzt, daß in den nächsten 20 Jahren weitere 2.000 verlorengehen. Wenn ein Dialekt verlorengeht, geht der spirituale Reichtum der Menschheit und damit auch die Geschichte verloren, unsere Geschichte als menschliche Wesen, unsere Geschichte darüber, wie wir uns von Tieren in Menschen verwandelten, wenn ich auch glaube, daß viele Tiere, die weder die Sklaverei noch den Kapitalismus oder die Ausbeutung des Tieres durch das Tier gekannt haben, sich oftmals viel besser verhalten als die Menschen (Beifall).
Alle diese Elemente sind Teil unserer Geschichte und unserer Zivilisation, und auf ihrem Fundament müssen wir an dem Tag unsere Kultur errichten, an dem diese neoliberale und unhaltbare Globalisierung untergeht. Und sie wird eher früher als später untergehen, um an die Worte von Salvador Allende zu erinnern (Beifall).
Die heutzutage auf der Welt vorherrschenden Bedingungen machen diese infame Ordnung, die wir ertragen müssen, unhaltbar. Deshalb besteht unserer Meinung nach die vorrangige Aufgabe darin, Ideen und Bewußtsein zu säen, damit die Menschheit im Augenblick des Untergangs dieser Welt besser darauf vorbereitet ist, auf ihren Ruinen eine bessere Welt und eine humanere Globalisierung aufzubauen.
Es war nicht nur Marx, der von einer Globalisierung träumte, obwohl er vielleicht der erste war, der eine entwickelte Welt ersann, in der die entwickelten Produktivkräfte fähig sein würden, die materiellen und geistigen Güter zu produzieren, die der Mensch benötigt und die eben nicht darin bestehen, jedes Jahr das Auto zu wechseln, drei, fünf oder zehn Paläste zu besitzen oder ein Mann mit einem Vermögen von 90 Milliarden Dollar in einem Land zu sein, das sich als Modell und Beispiel für Demokratie ansieht, wobei der besagte Mann vielleicht nur wenige Kilometer von einer Brücke entfernt lebt, unter der zahlreiche in Zeitungspapier eingehüllte obdachlose Menschen leben, die es in diesem Land immer noch gibt (Beifall).
Man nenne es Gerechtigkeit, man nenne es Freiheit und man nenne es Menschenrechte, dort wo Gleichheit sowie Respekt und Kultur für alle Menschen existieren, denn ohne Kultur kann man nicht frei sein und ohne Kultur kann man nicht einmal ein Demokrat sein (Beifall).
Von welcher Demokratie sprechen sie dort, wo Millionen und Abermillionen von Personen nicht einmal lesen und schreiben können und wo Millionen von Kindern sterben, weil in einem bestimmten Moment eine Impfung oder Rehydrationssalze fehlen, die einige Cents kosten? Von welchen Menschenrechten sprechen diejenigen, deren System jedes Jahr Dutzende Millionen von Menschen durch Hunger, Armut und das Fehlen von Lebensmitteln, Medikamenten, Wohnungen, Kleidung und Schuhen tötet? Es sterben, ich wiederhole es, jedes Jahr Dutzende Millionen von Menschen.
Es gibt einige, die aufrichtig die Strafen bekämpfen, die der Todesstrafe entsprechen, auch wenn es sich um monströse Verbrechen handelt, die leider existieren, um abscheuliche Vergewaltigungen von Mädchen und Jungen von fünf, sechs oder sieben Jahren, die sogar von Personen verübt werden, die Verantwortung für diese Kinder tragen.
Unser Land befindet sich unter den 120 Ländern, in denen die Todesstrafe noch existiert. Man sagt, daß wir unser Strafgesetzbuch verschärft hätten, da wir zwei Delikte, die einen großen gesellschaftlichen und menschlichen Schaden anrichten, schärfer ahnden, mit höheren Gefängnisstrafen oder mit lebenslänglicher Haft als einem Zwischenschritt, oder einige untolerierbare Fällen von einer ekelerregenden Schwere - und wenn ich von untolerierbaren Fällen von einer ekelerregenden Schwere spreche, beziehe ich mich nicht auf die Sicht der Regierungen, sondern auf Fälle, die aus der Sicht des Volkes untolerierbar und von einer ekelerregenden Schwere sind, so daß die Menschen voll von Abscheu sind, wenn sie von einigen dieser monströsen Verbrechen erfahren -, die wir mit den härtesten Strafen geahndet haben, denn es gibt keine andere Alternative in unserem Land, das sich unter den Bedingungen der Spezialperiode befindet, doppelt blockiert wird und immer neue Blockadegesetze auferlegt bekommt, wobei das Helms-Burton-Gesetz nur eines von vielen ist, denn jeden Tag fügen sie neue Gesetzesänderungen hinzu, die die Blockade und ihre Folgen verschärfen.
Millionen von Menschen reisen mit aller Freiheit in unserem Land ein und aus, viele von ihnen ohne Visa, denn der Tourismus ist heutzutage eine unverzichtbare Notwendigkeit für unsere Wirtschaft, wobei dies kein Tourismus des Glücksspiels und der Kasinos oder ein Tourismus der Bordelle sein darf. Das akzeptieren wir nicht und wir sind nicht bereit, es zu tolerieren, weil das ganze Gold der Welt weniger wert ist als die Würde einer Frau und noch viel weniger als die Würde eines jungen Mädchens (Beifall). Der Verkauf von Minderjährigen an Ausländer zur Ausübung von sexuellen Praktiken oder mit dem Ziel der Entnahme von lebenswichtigen Organen wird streng bestraft. Die groteske und abstoßende Vergewaltigung von Mädchen oder Jungen unter verschärften Umständen ist nicht hinnehmbar.
Der Drogenhandel großen Ausmaßes wird ebenfalls mit der Todesstrafe bestraft. Das sind zwei Fälle, denn es gibt eine größere Bewegungsfreiheit, einige ausländische Investitionen - die unverzichtbar sind - und einige Joint Venture-Unternehmen, wobei diejenigen nicht gefehlt haben, die versuchten, einige dieser Firmen dazu zu benutzen, um Container mit Rohstoffen in Empfang zu nehmen und sie dann mit Produkten dieser kleinen Industrien beladen wiedereinzuschiffen, wobei innerhalb der Container beträchtliche Mengen von Drogen versteckt waren. Und wir sagten: "Nein, das Land kann diese Schmach nicht zulassen!" Und unter diesen Bedingungen, die nicht diejenigen Europas oder vieler europäischer Länder sind, haben wir die elementare Pflicht, unser Volk zu verteidigen.
Uns stößt die Todesstrafe noch mehr ab als die vielen Menschen, die diese Sanktionsart bekämpfen. Ja, so sage ich es. Es stößt uns ab und schmerzt uns außerordentlich, daß Armut, fehlende Bildung, Marginalisierung und andere Phänomene der Welt, in der wir leben, bestimmte Menschen dazu verleiten, schreckliche Taten zu begehen.
Ich sagte dies einigen Personen, von denen viele unsere Freunde sind und die aus religiösen oder philosophischen Gründen die Todesstrafe nicht akzeptieren, wobei ich ihre Prinzipien und Ideen respektiere. Und anderen, die sie nicht akzeptieren und sie sogar bekämpfen, um das Banner des Humanismus hochzuhalten, wobei es sich um einige sehr reiche, ja außergewöhnlich reiche, Personen handelt, sage ich folgendes: Die Dinge, die geschehen, tun uns weh, und uns schmerzen die Todesstrafen, doch diese Todesstrafen haben zwei Gründe. Es sind einige Hundert oder einige Tausend pro Jahr, an denen diese Sanktion im Einklang mit den Gesetzen vollstreckt wird, aber lassen sie uns nicht warten, bis sich die Welt so weit verändert hat, daß kein einziges Land mehr mit der Todesstrafe als Bestandteil seiner Gesetze verbleibt. Lassen sie uns nicht so lange warten, um Millionen von Menschenleben zu retten, denn es gibt einen anderen schrecklichen Grund für die Todesstrafe, nämlich diejenigen Millionen oder - wie ich bereits erwähnte - Dutzende Millionen von Menschen, in der Mehrzahl Kinder, die jedes Jahr zum Tode verurteilt werden von der Gesellschaftsordnung, die sie genießen und verteidigen (Beifall).
Wie ich es auch dort auf dem Gipfel sagte: "Lassen sie uns die Souveränität als etwas Heiliges verteidigen, solange es einige sehr Mächtige und andere sehr Schwache gibt und solange nicht alle bereit sind, zum Zwecke einer universellen Souveränität darauf zu verzichten." Und unmittelbar darauf stellte ich eine Frage: "Ausgehend davon, daß es keine höheren oder niedrigeren Rassen gibt, warum sind wir, die Länder Lateinamerikas und der Karibik, arm und unterentwickelt? Wer sind die Schuldigen? Vielleicht können die heldenhaften Kinder von Chapultepec, die Millionen von Ureinwohnern, die in unserer Hemisphäre ausgerottet wurden, und die Sklaven, die über Jahrhunderte hinweg gefesselt starben, diese Fragen beantworten." (Beifall)
Und deswegen sagte ich ihnen: Wir wissen, wieviele Kinder an jedem Ort dieser Hemisphäre, an jedem Ort Afrikas und an jedem Ort der Erde sterben. Es ist schwer zu begreifen, daß diese entwickelten und reichen Länder - die ihre Reichtümer mit unseren natürlichen Ressourcen und, was schlimmer ist, mit dem Blut der Völker, die in diesen Gebieten umherstreiften, und mit dem Schweiß und Blut unserer Völker erbauten - weiterhin eine beschämend kräftige Entwicklung aufweisen, während es unter uns Länder gibt, in denen die Sterblichkeitsrate bei Kindern bis zu 5 Jahren 200 von 1.000 Lebendgeborenen beträgt.
Da wir sehr reiche Länder kennen, in denen die Kindersterblichkeitsrate 6 von 1.000 beträgt, schmerzt es sehr, daran zu denken, daß es an der Schwelle des sich nähernden Jahrtausends Länder gibt, in denen auf jedes Kind, das in den entwickelten Ländern stirbt, 40 tote Kinder kommen. Und wir wissen aus unserer Erfahrung und unserer Solidarität mit der Dritten Welt, wo in den letzten 30 oder 40 Jahren 26.000 kubanische Ärzte gearbeitet haben, was es kostet, ein Kind zu retten, und wie man es rettet, und wir haben ihnen gesagt: Wenn Ihr die essentiell notwendigen und billigen Medikamente bereitstellt, sind wir bereit, Tausende von weiteren Ärzten nach Mittelamerika, Haiti und Afrika zu entsenden, so wie wir bereits jetzt Ärzte in diese Länder schicken.
Wir haben eine Gruppe von Ländern mit der höchsten Kindersterblichkeitsrate in Schwarzafrika ausgewählt und ihnen bis zu 3.000 Ärzte angeboten, wobei es sich um Ärzte handelt, die ein humanitäres Konzept dessen haben, was die Medizin bedeutet, und die mit beispielhaftem Stoizismus und wahrhaftem Märtyrergeist in die entlegensten Orte gehen, weil sie in diesem Bewußtsein erzogen worden sind. Und wir haben ihnen gesagt: Laßt uns nicht warten, bis aufgrund eines Gesetzes oder eines Gerichtsurteils auch nur ein einziger Mensch weniger stirbt, da wir bereits ab jetzt jedes Jahr Millionen von Kindern und Millionen von Personen retten können. Und wir haben ihnen weiter gesagt: Wenn wir von drei Ärzten jeweils einen nehmen würden, um Einsätze dieser Art durchzuführen, könnten die beiden anderen die Arbeit des Dritten übernehmen und wir würden dennoch weiterhin das Land mit dem weltweit höchsten Pro-Kopf-Anteil an Ärzten bleiben, einschließlich der superentwickelten Länder (Beifall).
Der Genosse aus Uruguay sprach von der Lateinamerikanischen Hochschule für Medizin, die wir vor kurzem praktisch innerhalb von Wochen aufgebaut haben, und zwar nach dem Hurrikan, der Santo Domingo und Haiti traf, und dem darauffolgenden gewaltigen Hurrikan, der Mittelamerika heimsuchte. Wir haben diesen Ländern nicht nur die notwendigen Ärzte angeboten, um an den schwierigsten Orten zu arbeiten, wo normalerweise kein Arzt tätig ist, sondern auch eine Hochschule zur Ausbildung von Ärzten. Sie hat bereits 1.800 Studenten und die Zahl wird im nächsten Jahr 3.000 erreichen. Zudem ist dies nicht unsere einzige Kapazität, denn sie sollen in dieser Hochschule die beiden ersten Studienjahre absolvieren, die die schwierigsten sind, weil sie danach in den restlichen Fakultäten weiterstudieren müssen, und wir verfügen über 21 medizinische Fakultäten. Denn sie müssen beginnen, in den Krankenhäusern zu arbeiten, da unsere Ärzteausbildung nicht nur theoretisch ist, sondern auch praktisch.
Jeder dieser Ärzte wird zu einem Ausbilder von Krankenschwestern. Dabei bedienen sie sich dort in ihren Ländern der Lehrtexte, und es ist ausreichend, wenn jede der Anwärterinnen die sechste Klasse abgeschlossen hat. Jeder der Ärzte kann zwei oder drei Krankenschwestern ausbilden und ihre Zahl vervielfachen, denn sie müssen nicht notwendigerweise einen Universitätsabschluß haben, wie es heute in unserem Land der Fall ist, denn es handelt sich um Verfahrensweisen, um die Probleme unmittelbar zu lösen.
Was für ein Zufall, als er davon sprach, daß es dort lateinamerikanische Studenten gebe! Und es ist im Moment in der Tat so, daß eine große Anzahl von Mittelamerikanern dort studiert, weil wir ihnen 500 Stipendien pro Jahr angeboten haben, während wir gleichzeitig fast allen lateinamerikanischen Ländern Stipendien anboten.
Für einige ist es wichtig. In einem kleinen Land wie Bolivien bedeuten 70 Stipendien pro Jahr schon etwas, und für ein kleines Land wie Honduras bedeuten 300 Stipendien noch mehr, oder für Guatemala, Nicaragua oder Haiti, von wo wir bereits 120 Stipendiaten empfangen haben. Ebenfalls sind Stipendiaten aus Ecuador und sogar aus Argentinien, Chile und Brasilien gekommen.
Was machten wir mit Brasilien, einem gigantischen Land? Welchen Wert würden 60 oder 70 Stipendien haben? Wir baten brasilianische Freunde, Studenten auszusuchen, und zwar zwei oder drei aus jedem Bundesstaat. Es ist nicht so, daß Brasilien sie braucht, sondern es ist die Hochschule, die sie braucht, weil wir wollen, daß diese Hochschule zu einer Bruderschaft aller Lateinamerikaner wird und daß aus ihr eine Doktrin dessen hervorgeht, was die menschliche Gesundheit ausmachen muß (Beifall) und was ein Arzt sein muß. Ich bemerkte in einem bestimmten Moment, daß wir angesichts der Tatsache, daß einige Länder bereits ein gutes Niveau an Ärzten haben, diese nicht einbezogen - darunter war
Uruguay -, weshalb ich umgehend bat: Könntet Ihr jungen Studenten und Solidaritätsgruppen etwa 50 Studenten auswählen, um sie nach Kuba zu schicken? Nicht weil sie die Ärzte so sehr bräuchten, vielleicht brauchen sie sie überhaupt nicht, denn es ist kein Land mit Urwäldern und entlegenen Gebieten, fast alle Bewohner leben in der Hauptstadt und wir wissen, daß die Probleme nicht in der Hauptstadt liegen. Ich biete Euch keine Ärzte an, sondern ich bitte Euch und ich bitte die OCLAE darum, uns zu helfen, damit aus keinem einzigen Land Studenten fehlen und damit in dieser Hochschule alle Flaggen gehißt sind.
Es handelt sich nicht darum, daß wir eine Kapazität von 3.000 schaffen. Innerhalb von vier Jahren werden 6.000 lateinamerikanische Studenten in Kuba studieren, um der Gesundheit und dem Leben des Menschen zu dienen, wie ein Pastor, ein Missionar oder ein Priester.
Unser Land ist arm, wir werden ständig mehr blockiert und hatten über Nacht unseren Markt für Zucker und andere Produkte sowie unsere Versorgung mit Brennstoffen, Krediten und allem anderen verloren. Wir haben 10 Jahre nach diesem so harten Schlag durchgehalten, werden weiter durchhalten und bereichern Jahr für Jahr unser Humankapital. Das ist das, was wir haben! Doch weil wir dies haben, können wir das sagen, was jenes ungeheuer reiche Land, dessen Bruttoinlandsprodukt fast 10 Billionen Dollar und damit insgesamt sechshundertmal mehr als das kleine Kuba erreicht, nicht sagen kann. Ich bin sicher, daß sie, wenn sie um Freiwillige bitten, um dorthin zu gehen, wo unsere Ärzte in Mittelamerika, Haiti oder Afrika sind, keine 2.000 zusammenbekommen. Ich würde sogar noch weitergehen und sagen, daß die USA und Europa zusammen keine 2.000 Freiwilligen zusammenbekommen, wobei es in Europa unbestreitbar viele gute Leute gibt, deren Leben aber so verschieden vom Leben derjenigen ist, die ohne Strom, Medizin und Ärzte leben müssen, nicht über Computer, drei Fernsehgeräte, ein Auto und ein großes Haus verfügen und nicht mittels Internet in den Supermärkten einkaufen, ohne auch nur auf die Straße gehen zu müssen. Wenn ich mich irre, würde ich mich glücklich fühlen, und wenn sie 10.000 versammeln könnten, wäre ich sogar noch glücklicher, und wenn es 20.000 wären, würde ich sie sofort dazu einladen, diese 20.000 Freiwilligen und die unverzichtbaren Medikamente zu entsenden. Wir könnten sie dann in fast mathematisch exakter Form darüber informieren, wieviele Menschenleben sie jedes Jahr retten. Wieviele Menschenleben sie jedes Jahr retten können!
Wir könnten ihnen noch mehr sagen: Wenn sie solch eine Kapazität an Humanismus haben, laßt uns uns mit anderen Ländern vereinigen. Und wenn sie 6.000 zusammenbringen können, haben wir bereits 6.000 weitere angeboten. Wenn sie 10.000 anbieten können, müssen unsere Ärzte, Krankenhäuser und Techniker nur davon erfahren, und bereits in weniger als einer Woche würden 10.000 bereitstehen. Und wenn einer von drei Ärzten, über die wir verfügen, benötigt würde, müßten diese nichts weiter erhalten als die Nachricht, den Anreiz, daß wir eine Anstrengung für eine bessere Welt unternehmen, und den Ansporn, daß wir eine Anstrengung unternehmen, um denjenigen mehr Menschlichkeit zu vermitteln, die ungeheuer reich sind und zu Recht Schmerz empfinden - ich sage es aufrichtig, daß sie zu Recht Schmerz empfinden-, wenn ein Hund verhungert, damit sie die Fähigkeit entwickeln, auch dann mit unendlichem Recht Schmerz zu empfinden, wenn sie davon erfahren - falls sie es nicht schon wissen - oder das wirkliche Bewußtsein darüber erlangen, daß Millionen und Abermillionen von Menschen jedes Jahr sterben, weil sie nicht über diejenigen notwendigen Mittel zu ihrer Rettung verfügen, über die dieser Hund verfügt (Beifall).
Unser Land lebt von Werten. Es hat wegen der Werte durchgehalten und dabei nicht nur wirtschaftliche Schlachten geschlagen, sondern auch den Kampf gegen den Terrorismus und die Attentate ausgefochten.
Gestern erzählte ich den Studenten der Universität von Rio de Janeiro, daß ich während der Arbeit zur Erstellung der Klage, die wir gegen die Vereinigten Staaten erhoben haben, beim Sammeln von unzähligen Dokumenten und Beweisen, eine Zahl erfuhr, die ich 40 Jahre lang ignoriert hatte, nämlich auf wieviele sich die Anzahl der Verschwörungen belief, die das Ziel hatten, mich zu töten und die entweder direkt von der CIA organisiert waren, von Gruppen ausgedacht wurden, die von der CIA geschaffen und ausgebildet worden waren, wobei sie diesen Gruppen "Unabhängigkeit" gewährte, oder die von der CIA und der imperialistischen Propaganda angestiftet wurden. Es handelte sich um 637 Verschwörungen. Ich schwöre Euch, daß ich verblüfft war, als ich diese Aufzählungen und Substraktionen sah. Hoffentlich befindet sich unter den Broschüren, die sie Euch schicken werden - wir haben bereits zwei für Euch hinzugefügt -, diese Klage, die Kuba erhoben hat.
Ja, Ihr kümmert Euch darum, sie ihnen zu schicken. Nicht den 2 Millionen Studenten, weil uns sonst das Papier nicht ausreicht. Aber wenn zum Beispiel die OCLAE eine bestimmte Menge in der entsprechenden Sprache benötigt, um allen Studentenführern Brasiliens und Lateinamerikas eben diese drei Broschüren zukommen zu lassen, sind wir bereit, sie ihnen zu schicken. Sie behandeln einige Themen, die ich hier nicht erwähnt habe und die in diesen zwei von mir angesprochenen Reden und in dieser Klage enthalten sind, die wir vor den zuständigen Gerichten gegen die Vereinigten Staaten auf die Zahlung von 181 Milliarden Dollar erhoben haben, und zwar wegen 3.478 verlorengegangenen Menschenleben und 2.099 noch lebenden Behinderten als Folge ihrer Söldneraggressionen und terroristischen Aktionen. Wir werden Euch diese drei Broschüren schicken, wenn Ihr Euch verpflichtet, jedem von denjenigen, die hier sind und jetzt keines bekommen, und denjenigen, die woanders sind, jeweils ein Exemplar zukommen zu lassen.
Ricardo, ich träume von dem Tag, an dem Ihr einen Kongreß der lateinamerikanischen Studentenführer organisieren könnt (Beifall). Wenn Ihr keinen Raum zur Verfügung habt, zählt auf Kuba (Aus dem Publikum wird ihm gesagt: Nächstes Jahr in Havanna), wenn Ihr wollt. Wir müssen einen gemeinsamen Kampf führen und gemeinsam arbeiten, um Bewußtsein zu bilden und Ideen zu säen.
Entschuldigt, daß ich Euch so lange unbequem sitzen und stehen gelassen habe. Entschuldigt, wenn ich ein wenig ausgeschweift bin, denn ich weiß, daß es heute abend um 20.30 Uhr ein Fußballspiel gibt.
Ich glaube, daß ich Euch in Anbetracht der Umstände, unter denen wir uns versammelt haben, ziemlich viel erzählt habe.
Vergebt mir. Ich bitte Euch, daß Ihr mir vergebt und ich danke Euch.
Bis bald!
Immer bis zum Sieg!
(Ovation)