Ausführungen bezüglich des Falles des Kindes Elián González in dem Interview von Andrea Mitchell.
Autor:
Andrea Mitchell: Wir sprachen vorhin über den Jungen, der sich weiter in den Vereinigten Staaten aufhält, und den Schaden, den dies bei dem Kind verursachen kann. Sie sagten mir, daß sich die Persönlichkeit des Jungen verändert kann, je länger er dort verbleibt. Welche Besorgnis haben Sie bezüglich dieser Angelegenheit?
Fidel Castro: Eines der Dinge, die das Volk am meisten bewegt hat, ist die Idee, daß sie dieses Kind mit modernstem Spielzeug überschüttet haben. Sie haben ihm sogar einen Spielzeugflieger überreicht, damit der Junge ein Pilot der konterrevolutionären Organisation "Hermanos al Rescate" sein kann, und sie zogen ihm Kleidungsstücke und Pullover mit den Emblemen der berühmt-berüchtigten Kubanisch-Amerikanischen Nationalstiftung an, die in jedem Fall nicht national ist, sondern wohl eher binational, denn sie setzt sich zusammen aus ehemaligen Kubanern und einer bestimmten Anzahl von US-Amerikanern. Das hat unser Volk sehr stark verletzt.
Vorgestern las ich in den Agenturmeldungen, daß der junge Mas Santos – ich weiß nicht, ob er 'santo' (heilig) ist, aber er ist fraglos naiv, und außerdem anmaßend gegenüber dem Präsidenten der Vereinigten Staaten -, den Jungen mitnahm, um mit ihm bei einem Bankett zum Sammeln von Wahlspenden teilzunehmen, das von Clinton präsidiert wurde. Für ein Volk, das eine politische Kultur besitzt, ist die Tatsache äußerst beleidigend, daß ein Kind von niemandem Geringerem dorthin gebracht wird als dem Präsidenten jener Stiftung, die vor einigen Jahren von der US-Regierung mit bestimmten Zielen gegründet wurde und die sogar den Terrorismus praktiziert. Es ist wirklich der Gipfel, den Jungen zu diesem Bankett zu bringen, bei dem Wahlspenden für eine politische Partei gesammelt werden.
Ich weiß zum Beispiel, daß der Vater des Jungen und seine Familie in Kuba 48 Stunden lang nicht mit ihm sprechen konnten, denn zunächst hatten sie ihn für das Spendensammelbankett angezogen und vorbereitet und danach, am Sonntag und Montag, nahmen sie ihn nach Disneyland mit, um ihn dort mit den Phantasieobjekten zu fotografieren und in einer Hütte in diesem Park zu übernachten.
In diesen 50 Stunden konnte die Familie nicht mit dem Kind sprechen, sie konnten es nur gestern abend machen und die Telefongespräche sind begrenzt und finden unter Druck statt.
Diese Dinge erzürnen die Leute und sie haben Besorgnis ausgelöst bei herausragenden Wissenschaftlern, Psychologen und Spezialisten im Bereich der Kinderpsychologie, denn man begeht vor den Augen der Welt eine Ungeheuerlichkeit mit diesem 6 Jahre alten Kind. Am nächsten Donnerstag, in zwei Tagen, wird also ein Runder Tisch mit Experten stattfinden, an dem einige der qualifiziertesten Fachleute in diesem Bereich teilnehmen werden, und das Thema hat mit dem Jungen zu tun, denn es geht um die Frage, innerhalb von welcher Zeit die Mentalität eines sechsjährigen Kindes verändert werden kann. Das ist die Bedeutung des Faktors Zeit. Es handelt sich nicht darum, zu verhindern, daß sich das schreckliche Leiden der Familie verlängert, vor allem des Vaters, der schrecklich leidet, genauso wie die Großeltern, also diejenigen, die das Recht auf die Sorge und Betreuung des Kindes besitzen. Es ist nicht die Frage, ob es mehr oder weniger Tage sein werden. Die Frage nach der Zeit, die notwendig ist, um die Mentalität eines sechsjährigen Kindes zu verändern, ist zu einer lebenswichtigen Frage geworden.
Andrea Mitchell: Gibt es die Besorgnis, daß der Junge zu einem bestimmten Zeitpunkt sagen könnte, daß er in den Vereinigten Staaten bleiben wolle? Daß er eben von den Spielsachen und all den Dingen verführt werden könnte?
Fidel Castro: Nein. Gabriela Mistral - wir sprachen davon, als ich ihnen von dem Artikel erzählte, der gestern in der Zeitung der Arbeiter veröffentlicht wurde - sagte, daß die Kinder weder in der Zukunft noch in der Vergangenheit leben, sondern in der Gegenwart! Und vor den Augen der Welt wird versucht, den Jungen mit diesen Dingen zu blenden. Der Vater und die Familie erzählen mir, daß der Junge sehr stark genötigt wird, und die entfernten Verwandten, die in Miami wohnen, sagen ihnen, daß der Junge ihnen gegenüber erklärt hätte, nicht in Kuba leben zu wollen, auf solch eine schonungslose Art sagten sie es der Familie des Jungen in Kuba. Ein Radiosender gab gemäß den Aussagen einer Zeitung in Miami bekannt, daß man leise gehört habe, wie der Junge zu seiner entfernten Cousine sagte, daß er nicht zu seinem Vater zurückkehren wolle.
Das Problem besteht darin, daß sich die wahre Familie des Kindes in Kuba nicht mit dieser Idee abfindet und daß sich das Volk ebensowenig abfindet mit der Idee, daß sie mit diesem zynischen Vorgehen versuchen, die Mentalität des Kindes zu verändern, es seiner wahren Familie und der meistgeliebten Menschen zu entreißen und bei diesem unschuldigen und wehrlosen Kind die Verbindungen in seine Heimat abzubrechen und zu zerstören. Was bleibt dann von der Identität dieses Kindes?
Wir wollen also von den Wissenschaftlern und den Spezialisten wissen, in welcher Zeit man die Mentalität eines so jungen Kindes verändern kann.
Ich habe einige Personen gefragt: Kann man die Mentalität eines Kindes in einem Monat verändern? Und sie antworteten mir - zahlreiche Personen, keine Fachleute: Ja, in einem Monat kann man sie verändern.
Ich frage mich: Warum wollen sie das länger herauszögern? Etwa um die Mentalität des Kindes zu verändern, um die Mentalität dieses Jungen zu zerstören? Was bleibt von der Psychologie dieses Kindes? Wie paßt er sich aufs Neue im Schoß seiner wahren Familie an? Und ich weiß, wie die Familie gerade dann gelitten hat, als sie in bestimmten Momenten eine gewisse Schüchternheit bei dem Jungen wahrnahmen, so als ob versucht würde, dem Vater die Zuneigung zu seinem Sohn zu entreißen. Das ist ein Verbrechen, eines der ungeheuerlichsten Verbrechen.
Wenn jemand sieht, wie ein Kind ermordet wird und wie ihm sein Leben Stück für Stück entrissen wird, ist er sicher nicht damit einverstanden. Wenn man sieht, daß sie die Mentalität eines Kindes zerstören und sie zu schändlichen Propagandazwecken total verändern, dann ist das noch schlimmer als der physische Tod, und ich bin sicher, daß viele Leute das Bewußtsein darüber erlangt haben, daß es sich um die Zerstörung der Mentalität eines sechsjährigen Kindes handelt.
Ich weiß nicht, wie ausgehend davon irgendjemand, eine Führungspersönlichkeit der Vereinigten Staaten, danach von Menschenrechten sprechen kann - ohne andere Aspekte anzusprechen, nur diesen Punkt -, wenn solche Dinge in seinem Land erlaubt werden. Und unser Volk ist schlicht und einfach nicht bereit, das hinzunehmen. Das ist die Situation, und es ist nicht leicht für das Volk, sich mit dem Manöver abzufinden, das sie veranstaltet haben.
Gestern erfuhren alle bereits, daß der Vater einwilligte, ein Gespräch mit dem Beamten der Einwanderungsbehörde zu führen und ihm alle Beweise für seine Vaterschaft zu übergeben. Warum muß das noch länger herausgezögert werden? Das ist das Hauptthema.
Übermorgen wird ein sehr wichtiger Tag sein, denn dann wird die gesamte kubanische Bevölkerung erfahren, wie sich die Verlängerung dieser Entführung und das Überhäufen mit all den blendenden Dingen, die sie einem sechsjährigen Kind präsentieren können, auf die Mentalität und die Psyche dieses Jungen auswirken. Die Wissenschaft wird das letzte Wort sprechen und es besorgt uns wirklich, denn die Bevölkerung ist ungeduldig, der Gemütszustand der Bevölkerung ist von einer sehr großen Verbitterung und Empörung geprägt.
Wird sich unser Volk damit abfinden? Es wird keinen Krieg führen und keine Gewalt anwenden. Wir glauben, daß wir genügend Einfluß auf unsere Bevölkerung haben, um es von jeglicher gewaltsamen Handlung abzubringen, das ist das Erste. Desweiteren handelt es sich um ein gebildetes Volk, das Verständnis aufbringt. Das bedeutet, daß der Kampf nicht auf diesem Gebiet geführt wird, denn es wird eine Schlacht der nationalen und weltweiten öffentlichen Meinung, und diese Schlacht wird nicht enden, bis das Kind zurückkehrt. Das möchte ich Ihnen mit aller Offenheit sagen.
Jetzt gibt es eine Pause, es gibt keine Bewegung und es werden keine Demonstrationen veranstaltet. Aber die Verlängerung der Wartezeit um auch nur eine Minute über das erträgliche Maß hinaus wird diese Demonstrationen wieder entfesseln. Es wird keine materiellen Schäden geben, denn wir bewegen uns auf zwei Grundlagen: Es gibt in unserem Volk eine politische Kultur - Verstehen Sie das? - und es besteht der Einfluß von Seiten der Führung unseres Landes und unserer politischen Organisationen und Massenorganisationen, denen die Bevölkerung vertraut. So sehe ich also keine Gefahr bei dieser Sache. Auf was wird sich unsere Bevölkerung einlassen? Auf eine Meinungsschlacht, eine Meinungsschlacht nicht nur auf nationaler Ebene, sondern weltweit.
Ich glaube, daß sich die US-Behörden in eine unhaltbare Position begeben haben. Diese Schlacht wird auf die eine oder andere Form aufrechterhalten, bis das Kind seiner Familie und seinem Vaterland zurückgegeben wird.
Wir befinden uns im Moment wirklich in einer Pause, die sich hoffentlich nicht verlängert. Uns selbst kostet es sehr viel Arbeit zu verhindern, daß sich das Volk in der Zeit, in der das Kind dort ist - etwas, das die Sensibilität unseres Volkes sehr berührt hat -, nicht so ausdrücken kann, wie es etwa dort auf diesem Gemälde zu sehen ist (zeigt auf ein Gemälde von Mariano, das die revolutionären Massen darstellt, an der Wand des Saals). Dieses Gemälde ist von einem unserer besten Maler.
In der Tat gibt es im Moment keine Demonstrationen und Aufmärsche. Für uns ist es schwer, dies zu sagen, und glauben Sie mir, ich sage es ganz ehrlich, daß wir von Anfang an alles Mögliche unternahmen, um das zu verhindern. Zunächst wurden meine Worte fehlinterpretiert, als ich sagte: "Es bleibt wenig Zeit, bis in Kuba und auf der Welt ein großer Protest losbricht..."
Ich glaube, daß man Fortschritte gemacht hat, ich werde nicht bestreiten, daß man vorangekommen ist. Zu diesem Fortschritt kam es am vergangenen Sonntag und Montag, ausgehend vom Austausch von diplomatischen Noten zwischen den beiden Regierungen. Ich würde sagen, daß an zwei Tagen Fortschritte gemacht wurden, und zwar in dem Sinne, daß alle Bedingungen für eine ehrenhafte Lösung geschaffen wurden. Das Problem der Bedingung, die vorher bereits als Haupthindernis dargestellt worden war, wurde zufriedenstellend gelöst bei dem Treffen des Vaters und der Familie auf der einen Seite und der Vertreterin der Einwanderungsbehörde der Vereinigten Staaten und dem Leiter der politischen Abteilung der Interessenvertretung auf der anderen Seite.
Die Beweise für die Vaterschaft sind unanfechtbar. Sie verlangen Dokumente, damit er beweist, daß er der Vater ist, und gleichzeitig haben sie das Kind einigen entfernten Verwandten übergeben, von denen sie kein einziges Dokument verlangten, um zu beweisen, daß es sich um den Großonkel oder sonstige Verwandte des Kindes handelt.
Das ist die Realität, man hat Fortschritte gemacht, doch ich sehe, daß sie sich mit anderen Themen und Problemen beschäftigen werden, und es besteht die Bedrohung, daß sich die Lösung ungerechtfertigt und vielleicht unendlich hinauszögert, wie ich Ihnen bereits erklärt habe. Da es sich um ein Kind handelt, daß seelisch und mental ermordet wird, ist die verfügbare Zeit, um dies zu verhindern, sehr begrenzt.
Andrea Mitchell: Hätten sie bezüglich dieses Themas eine Botschaft für Bill Clinton?
Fidel Castro: Nein, nein, keine besondere Botschaft. Clinton hat viele Leute in den USA, die ihn hochschätzen, und genügend fähige Personen, die ihn beraten. Ich habe meine Wahrnehmung über ihn, von der ich Ihnen am ersten Tag unseres Gespräches erzählt habe, nämlich daß er den Wunsch hat, daß das Kind so schnell wie möglich nach Kuba zurückkehrt. Ich zweifle, ob ihm das gelingt. Denn welche Maßnahmen in Winkeladvokatenmanier werden die anderen ergreifen, um diesen Prozeß zu verzögern? Eine Verzögerung bei der Ankunft des Kindes, das die gesamte Bevölkerung erwartet, hätte im Geist unseres Volkes wirklich die Auswirkung einer Bombe. Das ist die Realität bezüglich dieses Themas.
Wir wollten vom ersten Augenblick an, daß es nicht zu dieser heftigen Auseinandersetzung kommt. Ich erzählte Ihnen bereits, daß wir erst am 2. Dezember beginnen konnten, uns mit diesem Problem zu beschäftigen. Der Vater des Kindes schrieb am 26. November und am 27. November wurde eine Note unseres Außenministeriums abgegeben. Es gab 11 Tage lang keine Antwort darauf. Erst am 2. Dezember, sechs Tage nach dem Schreiben des Vaters, konnten wir uns darum kümmern. Wir luden ihn zu einem Gespräch ein, weil wir ihn kennenlernen wollten und weil wir wissen wollten, wie er dachte, was er wünschte und wie seine Beziehung zu dem Kind war. Ich selbst befragte ihn zu allen diesen unentbehrlichen Details. Wir mußten die gesamte Wahrheit sehr gut kennen, bevor wir auch nur einen Finger bewegten.
Sie werden verstehen, daß man im In- und Ausland keine Meinungsschlacht schlägt, ohne über solide Stützen zu verfügen.
Andrea Mitchell: Sie werden wissen, daß einige Personen in den Vereinigten Staaten gesagt haben, daß der Vater von der kubanischen Regierung genötigt worden sei und daß sie ihn nicht frei sprechen gelassen hätten.
Fidel Castro: Und wie kann man beweisen, daß dies unwahr ist? Muß man ihn wie ein Schlachtlamm nach Miami bringen, damit sie ihn dort in Zusammenarbeit mit Behörden, Richtern, käuflichen Beamten, der terroristischen Mafia und den von der US-Regierung so sehr tolerierten und unterstützten Extremisten verschlingen? Und von Anfang an - das ist uns bekannt und wir haben Beweise dafür - sagte er, daß er nicht in die Vereinigten Staaten reisen wolle. Er erklärte außerdem, daß er die sofortige Rückkehr des Kindes fordere und nicht einmal Kontakte mit der Interessenvertretung akzeptiere.
In Cárdenas gibt es eine Bevölkerung von Zehntausenden von Menschen, die ihn und seine Familie gut kennen: Hochschullehrer, Lehrer der Schule des Kindes und viele andere anständige und ehrenhafte Personen. Was geschah mit ihm? Sie ließen ihm weder tagsüber noch nachts auch nur eine Minute in Ruhe. Er hat ein Telefon in der Wohnung und alle wußten davon, so daß ihn alle anriefen. Es war ein Schwarm von Reportern, die ihn Tag und Nacht anriefen. Es gab also bei ihm den gewaltigen Eindruck der Entführung seines Sohnes, wobei er berechtigterweise glaubte, daß er das volle Recht auf dieses Kind habe, für das er mit Hingabe gesorgt hatte. Es ist noch mehr, denn oftmals schlief das Kind bei seiner Familie, denn manchmal mußte die Mutter bis 2.00 oder 3.00 Uhr morgens arbeiten und der Junge schlief dann bei dem Ehepaar, denn der Vater hat eine neue Ehefrau und ein drei Monate altes Kind, und Elián schlief dann im selben Bett wie das Paar.
Aus der Bescheinigung des Krankenhauses geht folgendes hervor: "Im Notfall bitte den Vater benachrichtigen". Es handelt sich also um einen Vater, der sich wirklich, ich würde sogar sagen besessen, um sein Kind kümmert.
Er ist es, der den Brief schreibt, in dem um Unterstützung des Ministeriums für Auswärtige Angelegenheiten gebeten wird. Niemand sagte ihm: "Schreib einen Brief." Er schreibt ihn wenige Stunden nach Erhalt der Nachricht, daß sein Sohn sich in einem Krankenhaus in den Vereinigten Staaten befindet. Der Mann war wegen seiner engen Beziehung zu dem Kind schrecklich berührt, so daß er bis heute ständig den abwesenden Sohn anruft, wenn sie ihm erlauben, mit dem Jungen zu sprechen.
Als ich die Schule besuchte, war er erschöpft und seine Frau, die dem gerade drei Monate alt gewordenen Kind die Brust gab, war abgespannt und krank, so daß das Baby bereits drei Tage Durchfall hatte. Verstehen Sie? Er verläßt also seine Wohnung und wohnt außerhalb mit seiner Frau und seinem kleinen Kind. Wir haben ihn Schritt für Schritt und Detail für Detail über den Verlauf des Problems auf dem Laufenden gehalten.
Er kannte das Schreiben, das ihm die Einwanderungsbehörde der Vereinigten Staaten schickte, mit allen Einzelheiten, um die sie ihn baten. Seit dem Entstehen des Problems ist sehr wenig Zeit vergangen. Die erste Antwort erreicht uns am 8. Dezember, daß heißt nach 11 Tagen. Wir antworten darauf am 9. Dezember um 15.12 Uhr. Unsere Note enthielt Anmerkungen und einige Fragen bezüglich der behandelten Themen und bestimmter rechtlicher und juristischer Konzepte, die Teil jener Antwort waren.
Am 9. Dezember um 16.20 Uhr kommt es in Washington zu einem Gespräch zwischen Beamten des State Department und dem Leiter unserer Interessenvertretung, das etwa zwei Stunden dauert. Den gesamten Inhalt des Gesprächs über die in unserer Note enthaltenen Anmerkungen und Fragen erhalten wir am Morgen des 10. Dezember.
An diesem selben Tag erarbeiteten wir auf sieben oder acht Seiten mit zweizeiligem Abstand eine weitere Note, in der wir dem State Department in aller Deutlichkeit unsere Positionen darlegen. Wir mußten dann etwa 50 Stunden auf die Antwort auf diese Note warten, die letztlich am 12. Dezember ankam, das heißt am Sonntag, etwa um 10.30 Uhr morgens. Es war eine kurze Note, in der sie auf der entscheidenden Bedeutung eines Treffens mit dem Vater beharrten. Es wurde erklärt, daß er seiner Mutter eine Vollmacht erteilt habe. Man lehnt die Möglichkeit, dies zu akzeptieren, nicht völlig ab, doch schauen Sie, sie bekräftigen uns gegenüber, daß der Kontakt mit dem Vater von Seiten der Beamten der Interessenvertretung entscheidend sei.
In der darauffolgenden Antwortnote auf diese dritte Note, die uns am Sonntagmorgen erreichte, wurden unsere Positionen und Argumente dargelegt und wiederholt. Diese Antwort wurde am Nachmittag abgesandt, nachdem man eine Reihe von unentbehrlichen Daten gesucht hatte, und zwar sogar über unsere Interessenvertretung in Washington. Es wurde ihnen mitgeteilt, daß sie bezüglich des konkreten Punktes des Gesprächs mit dem Vater noch an diesem selben Nachmittag informiert werden würden. Wir mußten die Familie konsultieren, denn es handelte sich nicht darum, eine Note zu verfassen und ihnen mit Ja zu antworten, ohne daß diese Familie und im besonderen der Vater ihre Meinung dazu geäußert hätten.
Die Familie wurde informiert und der Vater mußte eine Entscheidung treffen. Es war nicht er allein, sondern es waren er und die gesamte Familie, alle, die in diesem Haushalt leben. Es war bereits spät am Abend, als sie eine komplette und detaillierte Zusammenfassung erhielten von all dessen, was geschehen war, vom Absenden seines Briefes an das Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten bis zum Inhalt der letzten Note, die am Sonntag ankam, und der Antwort darauf am Nachmittag des selben Tages, in der in einem Absatz davon gesprochen wird, wie ich bereits erwähnte, daß man hinsichtlich des Gesprächs mit ihm später antworten werde. Vor dieser Antwort war es unverzichtbar, Kontakt mit der Familie aufzunehmen, ihnen die Situation zu erklären und sie um eine Antwort zu bitten. Ich bin gezwungen, ihnen nur ein Minimum der diskutierten Standpunkte zu erläutern. Ich möchte nicht den Inhalt der ausgetauschten Noten aufdecken.
Andrea Mitchell: Nun gut, wenn diese Pause sich ausdehnt und das Problem nicht gelöst wird, was würde Kuba dann machen? Denn es gibt in den Vereinigten Staaten eine gewisse Befürchtung, daß Sie die Grenzen öffnen und daß es bald zu einem neuen großen Exodus von Flüchtlingen kommen könnte. Wäre das eine Option?
Fidel Castro: Ich glaube nicht, das dies eine Option ist, denn wir behandeln diese Angelegenheit mit großer Ernsthaftigkeit und sind uns ihrer innewohnenden Transzendenz bewußt. Wie Sie sehen, wurden gestern während des ganzen Tages in Ruhe die Gründe und Argumente gegeneinander aufgewogen. Dem Treffen über Migrationsfragen, das sehr eng mit dem Problem des Kindes verbunden ist, wurden keine Hindernisse in den Weg gelegt. Ohne den berühmten Cuban Adjustment Act wäre es weder zu diesem noch zu anderen Vorfällen gekommen.
Der Fall dieses Kindes ist ein dramatisches Beispiel für die Folgen des Cuban Adjustment Act, der bereits 33 Jahre in Kraft ist. Es waren 33 Jahre des Anreizes zur illegalen Emigration.
Wir haben dieses Problem vom Migrationsproblem getrennt und eine Frage störte die andere nicht, sie schlich sich nicht einmal bei der anderen ein. Denn schauen Sie, wir hätten genügend Gründe gehabt, um dieses Treffen abzusagen. Trotzdem erschien es uns nicht konstruktiv, es abzusagen und damit zu beginnen, das Migrationsabkommen mit dem konkreten Problem des entführten Kindes zu verbinden, wenn auch alles, was mit diesem Kind und seinen Familienangehörigen sowie den Personen, die bei diesem Bootsuntergang starben, geschah, in der Tat mit diesem Gesetz und anderen Migrationsbestimmungen zusammenhängt, die einzig als Anreiz zur illegalen Emigration von Kubanern dienen.
Während es auf der Welt Hunderte von Völkern und Tausende von Ethnien gibt, gibt es nur ein einziges Volk mit einer vermischten Ethnie, auf das eine Migrationspolitik angewendet wird, die sonst für niemanden auf der Welt gilt.
Sie werden uns fragen: Wollen Sie, daß das beendet wird? Uns erscheint dies als die konstruktivste Lösung, aber wenn sie in den USA entscheiden, daß dieses Gesetz beibehalten wird, dann müßte man um einen Adjustment Act für alle lateinamerikanischen Länder bitten, ein Adjustment Act für Mexikaner, Mittelamerikaner und Südamerikaner. Wir sind nicht so egoistisch, daß wir dieses Gesetz für uns allein wollen.
Andrea Mitchell: Aber Herr Präsident, die US-Regierung sagt, daß Sie das einzige verbliebene kommunistische Land sind, das einzige Land, in dem es keine freien Wahlen und Meinungsfreiheit gibt.
Fidel Castro: Wenn wir in dieses Thema eindringen, werden all die Filmrollen, die ihr Team hier dabeihat, nicht ausreichen. Ich glaube nicht, daß wir diese Themen behandeln müssen, das ist meine Ansicht, und ich bitte um Verzeihung. Ich möchte jetzt nicht darüber sprechen und Vergleiche anstellen. Ich denke nicht, daß das sehr weiterhilft. Über dieses Thema kann man einen ganzen Tag lang sprechen, 10 Stunden Interview.
Das einzige, was ich Ihnen sage, ist, daß ich die Behauptung nicht akzeptiere, daß wir das einzige kommunistische Land seien und daß es hier keine freien Wahlen gäbe. Mit Stolz akzeptiere ich die Aussage, daß wir ein kommunistisches Land sind, aber wir sind nicht das einzige. Wir haben nicht die so hohe Ehre, das einzige kommunistische Land zu sein. Durch unsere sozialistischen und kommunistischen Ideen haben wir erreicht, ein soziales System zu schaffen, und zwar ein System, das unserer Ansicht nach, unserer äußerst bescheidenen Ansicht nach - und das können wir mathematisch beweisen -, sehr viel menschlicher ist und über sehr viel mehr internen Rückhalt verfügt als irgendein anderes System auf der Welt, denn es ist solidarischer, brüderlicher, ist frei von Egoismus und an seinem Aufbau und seiner Weiterentwicklung nimmt wirklich das ganze Volk teil. In den anderen kapitalistischen Ländern sehen wir einen Krieg aller Individuen untereinander, das ist sehr bekannt. Seit den Zeiten von Adam Smith bis zu dieser fast globalisierten Welt von heute haben wir die Möglichkeit gehabt zu analysieren, was auf der Erde geschieht und was hier nicht geschieht.
Aus diesem Grund, wenn Sie sich eines Tages mal darüber unterhalten wollen, erlauben sie mir den Vorschlag, daß dies nicht bei dieser Gelegenheit sein sollte. Ich kann sehr wohl dem gesamten Volk der Vereinigten Staaten - von dem ich weiß, daß es viele Vorurteile hat - versichern, daß wir stolz sind auf unsere Ideale und die Gesellschaft, die in Kuba aufgebaut wurde, in der wir diejenigen Dinge tun können, von denen wir vorhin sprachen, nachdem wir die Lateinamerikanische Hochschule für Medizin besuchten. Aber wir haben nicht die Ehre, das einzige kommunistische Land zu sein, das ist zuviel der Ehre.
Andrea Mitchell: Nein, ich bezog mich auf diese Hemisphäre.
Glauben Sie, daß die Angelegenheit mit dem Kind zu einem dauerhaften Hindernis zwischen unseren beiden Ländern werden kann?
Fidel Castro: Nein, denn das kann nicht so weitergehen, denn die Vereinigten Staaten können die schrecklichen Kosten der Beibehaltung der Entführung des Kindes nicht bezahlen, und ich habe Vertrauen in den gesunden Menschenverstand der US-Amerikaner, ich habe Vertrauen in den gesunden Menschenverstand und die Intelligenz Ihrer realistischeren Politiker, die nicht auf diesem Fehler beharren. Deshalb wird es kein dauerhaftes Hindernis sein. Es wird in jedem Fall ein durchschlagendes Argument sein, um zu beweisen, wieviel Scheinheiligkeit es auf dieser Welt gibt und welche Art von schrecklichen Verbrechen begangen werden können, von denen dieses nur ein kleiner Ausschnitt ist.
Wir könnten von den Kindern sprechen, die sich gegenseitig in den Schulen umbringen. Wir haben Angst, daß der kleine Elián bei einer Schießerei in einer Schule sterben könnte; wir haben Angst vor den Drogen, die dort konsumiert werden und die es hier nicht gibt; wir haben Angst davor, daß dieser kleine Junge trotz der guten materiellen Dinge, die es in den USA gibt, nicht nur seine Identität verliert, sondern auch der vielen guter Sachen in sozialer, moralischer, geistiger und menschlicher Hinsicht entbehren muß, die ihm in dem Land, in dem er geboren wurde, garantiert werden. Unser äußerst aufrichtiges und patriotisches Volk fürchtet sehr wohl das Leben in der US-amerikanischen Gesellschaft. Das ist also wirklich unsere Meinung. Das Problem kann nicht so weitergehen, sie werden es sehen. Es gibt keine Art, wie das weitergehen sollte, weshalb sich das Problem mit dem Kind also nicht in ein Hindernis für die Beziehungen entwickelt.
Bis jetzt, wie Sie sehen, habe ich Ihnen erläutert, daß es wichtige Sektoren in den Vereinigten Staaten gibt, die dafür sind, daß das Kind zurückgegeben wird. Wenn wir vor den Augen der Welt protestierten, die Geschehnisse anprangerten und eine Schlacht schlagen, schlagen wir diese Schlacht also auch für diejenigen innerhalb der Vereinigten Staaten, die der Ansicht sind, daß es das Gerechteste und Korrekteste sei, das Kind nach Kuba zurückzugeben. Es ist keine Schlacht gegen die USA, es ist nicht einmal eine Schlacht gegen alle politischen Sektoren der Vereinigten Staaten, sondern es handelt sich um eine Schlacht gegen all diejenigen, die sich der Rückkehr des Kindes widersetzen, und es ist sogar eine Schlacht für die Vereinigten Staaten. Ja, ich sage daß ganz offen, denn ich bin absolut davon überzeugt, daß sie das Prestige ihres Landes je mehr schützen, desto eher sie das Problem lösen, und je mehr es sich herauszögert, desto kostspieliger wird es in politischer Hinsicht, in ethischer Hinsicht und im Hinblick auf das Prestige der Vereinigten Staaten.
Ich bitte die US-Amerikaner, daß sie mich nicht als Gegner ihres Landes ansehen. Ich muß sie auf irgendeine Art bezeichnen und ich nenne sie Vereinigte Staaten, wenn ich das Land verantwortlich machen muß, in dem dieses Verbrechen stattfindet. Aber wenigstens kämpfen wir - sagen wir es mal so - gemeinsam mit vielen, die in den Vereinigten Staaten den Wunsch haben, daß Gerechtigkeit waltet und das Kind befreit wird, und nachdem dies geschieht, muß man Wunden stillen. Unserem Volk bleibt dann einzig der Vorteil, über ein wenig mehr Bewußtsein und politische Kultur zu verfügen als zu Beginn dieses Prozesses.
Andrea Mitchell: Vielen Dank, Herr Präsident.
Sie haben sehr viel Geduld mit uns gehabt.
Fidel Castro: Ich mußte nicht Gebrauch machen von meiner Geduld. Ich habe es mit viel Freude getan und sogar im Wissen, daß es konstruktiv ist.
Die Zeit, über andere Themen zu sprechen, wird kommen. Rechnen Sie dann mit mir.
Andrea Mitchell: Danke, daß Sie uns in dieser Institution empfangen haben. Ich denke, daß es wirklich sehr interessante Dinge zu erzählen gibt über diese Institution und die damit zusammenhängenden Ideen, und wir werden das tun. Wir haben vor, darüber zu berichten.
Fidel Castro: Hoffentlich reicht Ihnen die Zeit, um wenigstens einen kleinen Teil dessen, was ich Ihnen erzählt habe, auszustrahlen (Lachen).
Fidel Castro: Eines der Dinge, die das Volk am meisten bewegt hat, ist die Idee, daß sie dieses Kind mit modernstem Spielzeug überschüttet haben. Sie haben ihm sogar einen Spielzeugflieger überreicht, damit der Junge ein Pilot der konterrevolutionären Organisation "Hermanos al Rescate" sein kann, und sie zogen ihm Kleidungsstücke und Pullover mit den Emblemen der berühmt-berüchtigten Kubanisch-Amerikanischen Nationalstiftung an, die in jedem Fall nicht national ist, sondern wohl eher binational, denn sie setzt sich zusammen aus ehemaligen Kubanern und einer bestimmten Anzahl von US-Amerikanern. Das hat unser Volk sehr stark verletzt.
Vorgestern las ich in den Agenturmeldungen, daß der junge Mas Santos – ich weiß nicht, ob er 'santo' (heilig) ist, aber er ist fraglos naiv, und außerdem anmaßend gegenüber dem Präsidenten der Vereinigten Staaten -, den Jungen mitnahm, um mit ihm bei einem Bankett zum Sammeln von Wahlspenden teilzunehmen, das von Clinton präsidiert wurde. Für ein Volk, das eine politische Kultur besitzt, ist die Tatsache äußerst beleidigend, daß ein Kind von niemandem Geringerem dorthin gebracht wird als dem Präsidenten jener Stiftung, die vor einigen Jahren von der US-Regierung mit bestimmten Zielen gegründet wurde und die sogar den Terrorismus praktiziert. Es ist wirklich der Gipfel, den Jungen zu diesem Bankett zu bringen, bei dem Wahlspenden für eine politische Partei gesammelt werden.
Ich weiß zum Beispiel, daß der Vater des Jungen und seine Familie in Kuba 48 Stunden lang nicht mit ihm sprechen konnten, denn zunächst hatten sie ihn für das Spendensammelbankett angezogen und vorbereitet und danach, am Sonntag und Montag, nahmen sie ihn nach Disneyland mit, um ihn dort mit den Phantasieobjekten zu fotografieren und in einer Hütte in diesem Park zu übernachten.
In diesen 50 Stunden konnte die Familie nicht mit dem Kind sprechen, sie konnten es nur gestern abend machen und die Telefongespräche sind begrenzt und finden unter Druck statt.
Diese Dinge erzürnen die Leute und sie haben Besorgnis ausgelöst bei herausragenden Wissenschaftlern, Psychologen und Spezialisten im Bereich der Kinderpsychologie, denn man begeht vor den Augen der Welt eine Ungeheuerlichkeit mit diesem 6 Jahre alten Kind. Am nächsten Donnerstag, in zwei Tagen, wird also ein Runder Tisch mit Experten stattfinden, an dem einige der qualifiziertesten Fachleute in diesem Bereich teilnehmen werden, und das Thema hat mit dem Jungen zu tun, denn es geht um die Frage, innerhalb von welcher Zeit die Mentalität eines sechsjährigen Kindes verändert werden kann. Das ist die Bedeutung des Faktors Zeit. Es handelt sich nicht darum, zu verhindern, daß sich das schreckliche Leiden der Familie verlängert, vor allem des Vaters, der schrecklich leidet, genauso wie die Großeltern, also diejenigen, die das Recht auf die Sorge und Betreuung des Kindes besitzen. Es ist nicht die Frage, ob es mehr oder weniger Tage sein werden. Die Frage nach der Zeit, die notwendig ist, um die Mentalität eines sechsjährigen Kindes zu verändern, ist zu einer lebenswichtigen Frage geworden.
Andrea Mitchell: Gibt es die Besorgnis, daß der Junge zu einem bestimmten Zeitpunkt sagen könnte, daß er in den Vereinigten Staaten bleiben wolle? Daß er eben von den Spielsachen und all den Dingen verführt werden könnte?
Fidel Castro: Nein. Gabriela Mistral - wir sprachen davon, als ich ihnen von dem Artikel erzählte, der gestern in der Zeitung der Arbeiter veröffentlicht wurde - sagte, daß die Kinder weder in der Zukunft noch in der Vergangenheit leben, sondern in der Gegenwart! Und vor den Augen der Welt wird versucht, den Jungen mit diesen Dingen zu blenden. Der Vater und die Familie erzählen mir, daß der Junge sehr stark genötigt wird, und die entfernten Verwandten, die in Miami wohnen, sagen ihnen, daß der Junge ihnen gegenüber erklärt hätte, nicht in Kuba leben zu wollen, auf solch eine schonungslose Art sagten sie es der Familie des Jungen in Kuba. Ein Radiosender gab gemäß den Aussagen einer Zeitung in Miami bekannt, daß man leise gehört habe, wie der Junge zu seiner entfernten Cousine sagte, daß er nicht zu seinem Vater zurückkehren wolle.
Das Problem besteht darin, daß sich die wahre Familie des Kindes in Kuba nicht mit dieser Idee abfindet und daß sich das Volk ebensowenig abfindet mit der Idee, daß sie mit diesem zynischen Vorgehen versuchen, die Mentalität des Kindes zu verändern, es seiner wahren Familie und der meistgeliebten Menschen zu entreißen und bei diesem unschuldigen und wehrlosen Kind die Verbindungen in seine Heimat abzubrechen und zu zerstören. Was bleibt dann von der Identität dieses Kindes?
Wir wollen also von den Wissenschaftlern und den Spezialisten wissen, in welcher Zeit man die Mentalität eines so jungen Kindes verändern kann.
Ich habe einige Personen gefragt: Kann man die Mentalität eines Kindes in einem Monat verändern? Und sie antworteten mir - zahlreiche Personen, keine Fachleute: Ja, in einem Monat kann man sie verändern.
Ich frage mich: Warum wollen sie das länger herauszögern? Etwa um die Mentalität des Kindes zu verändern, um die Mentalität dieses Jungen zu zerstören? Was bleibt von der Psychologie dieses Kindes? Wie paßt er sich aufs Neue im Schoß seiner wahren Familie an? Und ich weiß, wie die Familie gerade dann gelitten hat, als sie in bestimmten Momenten eine gewisse Schüchternheit bei dem Jungen wahrnahmen, so als ob versucht würde, dem Vater die Zuneigung zu seinem Sohn zu entreißen. Das ist ein Verbrechen, eines der ungeheuerlichsten Verbrechen.
Wenn jemand sieht, wie ein Kind ermordet wird und wie ihm sein Leben Stück für Stück entrissen wird, ist er sicher nicht damit einverstanden. Wenn man sieht, daß sie die Mentalität eines Kindes zerstören und sie zu schändlichen Propagandazwecken total verändern, dann ist das noch schlimmer als der physische Tod, und ich bin sicher, daß viele Leute das Bewußtsein darüber erlangt haben, daß es sich um die Zerstörung der Mentalität eines sechsjährigen Kindes handelt.
Ich weiß nicht, wie ausgehend davon irgendjemand, eine Führungspersönlichkeit der Vereinigten Staaten, danach von Menschenrechten sprechen kann - ohne andere Aspekte anzusprechen, nur diesen Punkt -, wenn solche Dinge in seinem Land erlaubt werden. Und unser Volk ist schlicht und einfach nicht bereit, das hinzunehmen. Das ist die Situation, und es ist nicht leicht für das Volk, sich mit dem Manöver abzufinden, das sie veranstaltet haben.
Gestern erfuhren alle bereits, daß der Vater einwilligte, ein Gespräch mit dem Beamten der Einwanderungsbehörde zu führen und ihm alle Beweise für seine Vaterschaft zu übergeben. Warum muß das noch länger herausgezögert werden? Das ist das Hauptthema.
Übermorgen wird ein sehr wichtiger Tag sein, denn dann wird die gesamte kubanische Bevölkerung erfahren, wie sich die Verlängerung dieser Entführung und das Überhäufen mit all den blendenden Dingen, die sie einem sechsjährigen Kind präsentieren können, auf die Mentalität und die Psyche dieses Jungen auswirken. Die Wissenschaft wird das letzte Wort sprechen und es besorgt uns wirklich, denn die Bevölkerung ist ungeduldig, der Gemütszustand der Bevölkerung ist von einer sehr großen Verbitterung und Empörung geprägt.
Wird sich unser Volk damit abfinden? Es wird keinen Krieg führen und keine Gewalt anwenden. Wir glauben, daß wir genügend Einfluß auf unsere Bevölkerung haben, um es von jeglicher gewaltsamen Handlung abzubringen, das ist das Erste. Desweiteren handelt es sich um ein gebildetes Volk, das Verständnis aufbringt. Das bedeutet, daß der Kampf nicht auf diesem Gebiet geführt wird, denn es wird eine Schlacht der nationalen und weltweiten öffentlichen Meinung, und diese Schlacht wird nicht enden, bis das Kind zurückkehrt. Das möchte ich Ihnen mit aller Offenheit sagen.
Jetzt gibt es eine Pause, es gibt keine Bewegung und es werden keine Demonstrationen veranstaltet. Aber die Verlängerung der Wartezeit um auch nur eine Minute über das erträgliche Maß hinaus wird diese Demonstrationen wieder entfesseln. Es wird keine materiellen Schäden geben, denn wir bewegen uns auf zwei Grundlagen: Es gibt in unserem Volk eine politische Kultur - Verstehen Sie das? - und es besteht der Einfluß von Seiten der Führung unseres Landes und unserer politischen Organisationen und Massenorganisationen, denen die Bevölkerung vertraut. So sehe ich also keine Gefahr bei dieser Sache. Auf was wird sich unsere Bevölkerung einlassen? Auf eine Meinungsschlacht, eine Meinungsschlacht nicht nur auf nationaler Ebene, sondern weltweit.
Ich glaube, daß sich die US-Behörden in eine unhaltbare Position begeben haben. Diese Schlacht wird auf die eine oder andere Form aufrechterhalten, bis das Kind seiner Familie und seinem Vaterland zurückgegeben wird.
Wir befinden uns im Moment wirklich in einer Pause, die sich hoffentlich nicht verlängert. Uns selbst kostet es sehr viel Arbeit zu verhindern, daß sich das Volk in der Zeit, in der das Kind dort ist - etwas, das die Sensibilität unseres Volkes sehr berührt hat -, nicht so ausdrücken kann, wie es etwa dort auf diesem Gemälde zu sehen ist (zeigt auf ein Gemälde von Mariano, das die revolutionären Massen darstellt, an der Wand des Saals). Dieses Gemälde ist von einem unserer besten Maler.
In der Tat gibt es im Moment keine Demonstrationen und Aufmärsche. Für uns ist es schwer, dies zu sagen, und glauben Sie mir, ich sage es ganz ehrlich, daß wir von Anfang an alles Mögliche unternahmen, um das zu verhindern. Zunächst wurden meine Worte fehlinterpretiert, als ich sagte: "Es bleibt wenig Zeit, bis in Kuba und auf der Welt ein großer Protest losbricht..."
Ich glaube, daß man Fortschritte gemacht hat, ich werde nicht bestreiten, daß man vorangekommen ist. Zu diesem Fortschritt kam es am vergangenen Sonntag und Montag, ausgehend vom Austausch von diplomatischen Noten zwischen den beiden Regierungen. Ich würde sagen, daß an zwei Tagen Fortschritte gemacht wurden, und zwar in dem Sinne, daß alle Bedingungen für eine ehrenhafte Lösung geschaffen wurden. Das Problem der Bedingung, die vorher bereits als Haupthindernis dargestellt worden war, wurde zufriedenstellend gelöst bei dem Treffen des Vaters und der Familie auf der einen Seite und der Vertreterin der Einwanderungsbehörde der Vereinigten Staaten und dem Leiter der politischen Abteilung der Interessenvertretung auf der anderen Seite.
Die Beweise für die Vaterschaft sind unanfechtbar. Sie verlangen Dokumente, damit er beweist, daß er der Vater ist, und gleichzeitig haben sie das Kind einigen entfernten Verwandten übergeben, von denen sie kein einziges Dokument verlangten, um zu beweisen, daß es sich um den Großonkel oder sonstige Verwandte des Kindes handelt.
Das ist die Realität, man hat Fortschritte gemacht, doch ich sehe, daß sie sich mit anderen Themen und Problemen beschäftigen werden, und es besteht die Bedrohung, daß sich die Lösung ungerechtfertigt und vielleicht unendlich hinauszögert, wie ich Ihnen bereits erklärt habe. Da es sich um ein Kind handelt, daß seelisch und mental ermordet wird, ist die verfügbare Zeit, um dies zu verhindern, sehr begrenzt.
Andrea Mitchell: Hätten sie bezüglich dieses Themas eine Botschaft für Bill Clinton?
Fidel Castro: Nein, nein, keine besondere Botschaft. Clinton hat viele Leute in den USA, die ihn hochschätzen, und genügend fähige Personen, die ihn beraten. Ich habe meine Wahrnehmung über ihn, von der ich Ihnen am ersten Tag unseres Gespräches erzählt habe, nämlich daß er den Wunsch hat, daß das Kind so schnell wie möglich nach Kuba zurückkehrt. Ich zweifle, ob ihm das gelingt. Denn welche Maßnahmen in Winkeladvokatenmanier werden die anderen ergreifen, um diesen Prozeß zu verzögern? Eine Verzögerung bei der Ankunft des Kindes, das die gesamte Bevölkerung erwartet, hätte im Geist unseres Volkes wirklich die Auswirkung einer Bombe. Das ist die Realität bezüglich dieses Themas.
Wir wollten vom ersten Augenblick an, daß es nicht zu dieser heftigen Auseinandersetzung kommt. Ich erzählte Ihnen bereits, daß wir erst am 2. Dezember beginnen konnten, uns mit diesem Problem zu beschäftigen. Der Vater des Kindes schrieb am 26. November und am 27. November wurde eine Note unseres Außenministeriums abgegeben. Es gab 11 Tage lang keine Antwort darauf. Erst am 2. Dezember, sechs Tage nach dem Schreiben des Vaters, konnten wir uns darum kümmern. Wir luden ihn zu einem Gespräch ein, weil wir ihn kennenlernen wollten und weil wir wissen wollten, wie er dachte, was er wünschte und wie seine Beziehung zu dem Kind war. Ich selbst befragte ihn zu allen diesen unentbehrlichen Details. Wir mußten die gesamte Wahrheit sehr gut kennen, bevor wir auch nur einen Finger bewegten.
Sie werden verstehen, daß man im In- und Ausland keine Meinungsschlacht schlägt, ohne über solide Stützen zu verfügen.
Andrea Mitchell: Sie werden wissen, daß einige Personen in den Vereinigten Staaten gesagt haben, daß der Vater von der kubanischen Regierung genötigt worden sei und daß sie ihn nicht frei sprechen gelassen hätten.
Fidel Castro: Und wie kann man beweisen, daß dies unwahr ist? Muß man ihn wie ein Schlachtlamm nach Miami bringen, damit sie ihn dort in Zusammenarbeit mit Behörden, Richtern, käuflichen Beamten, der terroristischen Mafia und den von der US-Regierung so sehr tolerierten und unterstützten Extremisten verschlingen? Und von Anfang an - das ist uns bekannt und wir haben Beweise dafür - sagte er, daß er nicht in die Vereinigten Staaten reisen wolle. Er erklärte außerdem, daß er die sofortige Rückkehr des Kindes fordere und nicht einmal Kontakte mit der Interessenvertretung akzeptiere.
In Cárdenas gibt es eine Bevölkerung von Zehntausenden von Menschen, die ihn und seine Familie gut kennen: Hochschullehrer, Lehrer der Schule des Kindes und viele andere anständige und ehrenhafte Personen. Was geschah mit ihm? Sie ließen ihm weder tagsüber noch nachts auch nur eine Minute in Ruhe. Er hat ein Telefon in der Wohnung und alle wußten davon, so daß ihn alle anriefen. Es war ein Schwarm von Reportern, die ihn Tag und Nacht anriefen. Es gab also bei ihm den gewaltigen Eindruck der Entführung seines Sohnes, wobei er berechtigterweise glaubte, daß er das volle Recht auf dieses Kind habe, für das er mit Hingabe gesorgt hatte. Es ist noch mehr, denn oftmals schlief das Kind bei seiner Familie, denn manchmal mußte die Mutter bis 2.00 oder 3.00 Uhr morgens arbeiten und der Junge schlief dann bei dem Ehepaar, denn der Vater hat eine neue Ehefrau und ein drei Monate altes Kind, und Elián schlief dann im selben Bett wie das Paar.
Aus der Bescheinigung des Krankenhauses geht folgendes hervor: "Im Notfall bitte den Vater benachrichtigen". Es handelt sich also um einen Vater, der sich wirklich, ich würde sogar sagen besessen, um sein Kind kümmert.
Er ist es, der den Brief schreibt, in dem um Unterstützung des Ministeriums für Auswärtige Angelegenheiten gebeten wird. Niemand sagte ihm: "Schreib einen Brief." Er schreibt ihn wenige Stunden nach Erhalt der Nachricht, daß sein Sohn sich in einem Krankenhaus in den Vereinigten Staaten befindet. Der Mann war wegen seiner engen Beziehung zu dem Kind schrecklich berührt, so daß er bis heute ständig den abwesenden Sohn anruft, wenn sie ihm erlauben, mit dem Jungen zu sprechen.
Als ich die Schule besuchte, war er erschöpft und seine Frau, die dem gerade drei Monate alt gewordenen Kind die Brust gab, war abgespannt und krank, so daß das Baby bereits drei Tage Durchfall hatte. Verstehen Sie? Er verläßt also seine Wohnung und wohnt außerhalb mit seiner Frau und seinem kleinen Kind. Wir haben ihn Schritt für Schritt und Detail für Detail über den Verlauf des Problems auf dem Laufenden gehalten.
Er kannte das Schreiben, das ihm die Einwanderungsbehörde der Vereinigten Staaten schickte, mit allen Einzelheiten, um die sie ihn baten. Seit dem Entstehen des Problems ist sehr wenig Zeit vergangen. Die erste Antwort erreicht uns am 8. Dezember, daß heißt nach 11 Tagen. Wir antworten darauf am 9. Dezember um 15.12 Uhr. Unsere Note enthielt Anmerkungen und einige Fragen bezüglich der behandelten Themen und bestimmter rechtlicher und juristischer Konzepte, die Teil jener Antwort waren.
Am 9. Dezember um 16.20 Uhr kommt es in Washington zu einem Gespräch zwischen Beamten des State Department und dem Leiter unserer Interessenvertretung, das etwa zwei Stunden dauert. Den gesamten Inhalt des Gesprächs über die in unserer Note enthaltenen Anmerkungen und Fragen erhalten wir am Morgen des 10. Dezember.
An diesem selben Tag erarbeiteten wir auf sieben oder acht Seiten mit zweizeiligem Abstand eine weitere Note, in der wir dem State Department in aller Deutlichkeit unsere Positionen darlegen. Wir mußten dann etwa 50 Stunden auf die Antwort auf diese Note warten, die letztlich am 12. Dezember ankam, das heißt am Sonntag, etwa um 10.30 Uhr morgens. Es war eine kurze Note, in der sie auf der entscheidenden Bedeutung eines Treffens mit dem Vater beharrten. Es wurde erklärt, daß er seiner Mutter eine Vollmacht erteilt habe. Man lehnt die Möglichkeit, dies zu akzeptieren, nicht völlig ab, doch schauen Sie, sie bekräftigen uns gegenüber, daß der Kontakt mit dem Vater von Seiten der Beamten der Interessenvertretung entscheidend sei.
In der darauffolgenden Antwortnote auf diese dritte Note, die uns am Sonntagmorgen erreichte, wurden unsere Positionen und Argumente dargelegt und wiederholt. Diese Antwort wurde am Nachmittag abgesandt, nachdem man eine Reihe von unentbehrlichen Daten gesucht hatte, und zwar sogar über unsere Interessenvertretung in Washington. Es wurde ihnen mitgeteilt, daß sie bezüglich des konkreten Punktes des Gesprächs mit dem Vater noch an diesem selben Nachmittag informiert werden würden. Wir mußten die Familie konsultieren, denn es handelte sich nicht darum, eine Note zu verfassen und ihnen mit Ja zu antworten, ohne daß diese Familie und im besonderen der Vater ihre Meinung dazu geäußert hätten.
Die Familie wurde informiert und der Vater mußte eine Entscheidung treffen. Es war nicht er allein, sondern es waren er und die gesamte Familie, alle, die in diesem Haushalt leben. Es war bereits spät am Abend, als sie eine komplette und detaillierte Zusammenfassung erhielten von all dessen, was geschehen war, vom Absenden seines Briefes an das Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten bis zum Inhalt der letzten Note, die am Sonntag ankam, und der Antwort darauf am Nachmittag des selben Tages, in der in einem Absatz davon gesprochen wird, wie ich bereits erwähnte, daß man hinsichtlich des Gesprächs mit ihm später antworten werde. Vor dieser Antwort war es unverzichtbar, Kontakt mit der Familie aufzunehmen, ihnen die Situation zu erklären und sie um eine Antwort zu bitten. Ich bin gezwungen, ihnen nur ein Minimum der diskutierten Standpunkte zu erläutern. Ich möchte nicht den Inhalt der ausgetauschten Noten aufdecken.
Andrea Mitchell: Nun gut, wenn diese Pause sich ausdehnt und das Problem nicht gelöst wird, was würde Kuba dann machen? Denn es gibt in den Vereinigten Staaten eine gewisse Befürchtung, daß Sie die Grenzen öffnen und daß es bald zu einem neuen großen Exodus von Flüchtlingen kommen könnte. Wäre das eine Option?
Fidel Castro: Ich glaube nicht, das dies eine Option ist, denn wir behandeln diese Angelegenheit mit großer Ernsthaftigkeit und sind uns ihrer innewohnenden Transzendenz bewußt. Wie Sie sehen, wurden gestern während des ganzen Tages in Ruhe die Gründe und Argumente gegeneinander aufgewogen. Dem Treffen über Migrationsfragen, das sehr eng mit dem Problem des Kindes verbunden ist, wurden keine Hindernisse in den Weg gelegt. Ohne den berühmten Cuban Adjustment Act wäre es weder zu diesem noch zu anderen Vorfällen gekommen.
Der Fall dieses Kindes ist ein dramatisches Beispiel für die Folgen des Cuban Adjustment Act, der bereits 33 Jahre in Kraft ist. Es waren 33 Jahre des Anreizes zur illegalen Emigration.
Wir haben dieses Problem vom Migrationsproblem getrennt und eine Frage störte die andere nicht, sie schlich sich nicht einmal bei der anderen ein. Denn schauen Sie, wir hätten genügend Gründe gehabt, um dieses Treffen abzusagen. Trotzdem erschien es uns nicht konstruktiv, es abzusagen und damit zu beginnen, das Migrationsabkommen mit dem konkreten Problem des entführten Kindes zu verbinden, wenn auch alles, was mit diesem Kind und seinen Familienangehörigen sowie den Personen, die bei diesem Bootsuntergang starben, geschah, in der Tat mit diesem Gesetz und anderen Migrationsbestimmungen zusammenhängt, die einzig als Anreiz zur illegalen Emigration von Kubanern dienen.
Während es auf der Welt Hunderte von Völkern und Tausende von Ethnien gibt, gibt es nur ein einziges Volk mit einer vermischten Ethnie, auf das eine Migrationspolitik angewendet wird, die sonst für niemanden auf der Welt gilt.
Sie werden uns fragen: Wollen Sie, daß das beendet wird? Uns erscheint dies als die konstruktivste Lösung, aber wenn sie in den USA entscheiden, daß dieses Gesetz beibehalten wird, dann müßte man um einen Adjustment Act für alle lateinamerikanischen Länder bitten, ein Adjustment Act für Mexikaner, Mittelamerikaner und Südamerikaner. Wir sind nicht so egoistisch, daß wir dieses Gesetz für uns allein wollen.
Andrea Mitchell: Aber Herr Präsident, die US-Regierung sagt, daß Sie das einzige verbliebene kommunistische Land sind, das einzige Land, in dem es keine freien Wahlen und Meinungsfreiheit gibt.
Fidel Castro: Wenn wir in dieses Thema eindringen, werden all die Filmrollen, die ihr Team hier dabeihat, nicht ausreichen. Ich glaube nicht, daß wir diese Themen behandeln müssen, das ist meine Ansicht, und ich bitte um Verzeihung. Ich möchte jetzt nicht darüber sprechen und Vergleiche anstellen. Ich denke nicht, daß das sehr weiterhilft. Über dieses Thema kann man einen ganzen Tag lang sprechen, 10 Stunden Interview.
Das einzige, was ich Ihnen sage, ist, daß ich die Behauptung nicht akzeptiere, daß wir das einzige kommunistische Land seien und daß es hier keine freien Wahlen gäbe. Mit Stolz akzeptiere ich die Aussage, daß wir ein kommunistisches Land sind, aber wir sind nicht das einzige. Wir haben nicht die so hohe Ehre, das einzige kommunistische Land zu sein. Durch unsere sozialistischen und kommunistischen Ideen haben wir erreicht, ein soziales System zu schaffen, und zwar ein System, das unserer Ansicht nach, unserer äußerst bescheidenen Ansicht nach - und das können wir mathematisch beweisen -, sehr viel menschlicher ist und über sehr viel mehr internen Rückhalt verfügt als irgendein anderes System auf der Welt, denn es ist solidarischer, brüderlicher, ist frei von Egoismus und an seinem Aufbau und seiner Weiterentwicklung nimmt wirklich das ganze Volk teil. In den anderen kapitalistischen Ländern sehen wir einen Krieg aller Individuen untereinander, das ist sehr bekannt. Seit den Zeiten von Adam Smith bis zu dieser fast globalisierten Welt von heute haben wir die Möglichkeit gehabt zu analysieren, was auf der Erde geschieht und was hier nicht geschieht.
Aus diesem Grund, wenn Sie sich eines Tages mal darüber unterhalten wollen, erlauben sie mir den Vorschlag, daß dies nicht bei dieser Gelegenheit sein sollte. Ich kann sehr wohl dem gesamten Volk der Vereinigten Staaten - von dem ich weiß, daß es viele Vorurteile hat - versichern, daß wir stolz sind auf unsere Ideale und die Gesellschaft, die in Kuba aufgebaut wurde, in der wir diejenigen Dinge tun können, von denen wir vorhin sprachen, nachdem wir die Lateinamerikanische Hochschule für Medizin besuchten. Aber wir haben nicht die Ehre, das einzige kommunistische Land zu sein, das ist zuviel der Ehre.
Andrea Mitchell: Nein, ich bezog mich auf diese Hemisphäre.
Glauben Sie, daß die Angelegenheit mit dem Kind zu einem dauerhaften Hindernis zwischen unseren beiden Ländern werden kann?
Fidel Castro: Nein, denn das kann nicht so weitergehen, denn die Vereinigten Staaten können die schrecklichen Kosten der Beibehaltung der Entführung des Kindes nicht bezahlen, und ich habe Vertrauen in den gesunden Menschenverstand der US-Amerikaner, ich habe Vertrauen in den gesunden Menschenverstand und die Intelligenz Ihrer realistischeren Politiker, die nicht auf diesem Fehler beharren. Deshalb wird es kein dauerhaftes Hindernis sein. Es wird in jedem Fall ein durchschlagendes Argument sein, um zu beweisen, wieviel Scheinheiligkeit es auf dieser Welt gibt und welche Art von schrecklichen Verbrechen begangen werden können, von denen dieses nur ein kleiner Ausschnitt ist.
Wir könnten von den Kindern sprechen, die sich gegenseitig in den Schulen umbringen. Wir haben Angst, daß der kleine Elián bei einer Schießerei in einer Schule sterben könnte; wir haben Angst vor den Drogen, die dort konsumiert werden und die es hier nicht gibt; wir haben Angst davor, daß dieser kleine Junge trotz der guten materiellen Dinge, die es in den USA gibt, nicht nur seine Identität verliert, sondern auch der vielen guter Sachen in sozialer, moralischer, geistiger und menschlicher Hinsicht entbehren muß, die ihm in dem Land, in dem er geboren wurde, garantiert werden. Unser äußerst aufrichtiges und patriotisches Volk fürchtet sehr wohl das Leben in der US-amerikanischen Gesellschaft. Das ist also wirklich unsere Meinung. Das Problem kann nicht so weitergehen, sie werden es sehen. Es gibt keine Art, wie das weitergehen sollte, weshalb sich das Problem mit dem Kind also nicht in ein Hindernis für die Beziehungen entwickelt.
Bis jetzt, wie Sie sehen, habe ich Ihnen erläutert, daß es wichtige Sektoren in den Vereinigten Staaten gibt, die dafür sind, daß das Kind zurückgegeben wird. Wenn wir vor den Augen der Welt protestierten, die Geschehnisse anprangerten und eine Schlacht schlagen, schlagen wir diese Schlacht also auch für diejenigen innerhalb der Vereinigten Staaten, die der Ansicht sind, daß es das Gerechteste und Korrekteste sei, das Kind nach Kuba zurückzugeben. Es ist keine Schlacht gegen die USA, es ist nicht einmal eine Schlacht gegen alle politischen Sektoren der Vereinigten Staaten, sondern es handelt sich um eine Schlacht gegen all diejenigen, die sich der Rückkehr des Kindes widersetzen, und es ist sogar eine Schlacht für die Vereinigten Staaten. Ja, ich sage daß ganz offen, denn ich bin absolut davon überzeugt, daß sie das Prestige ihres Landes je mehr schützen, desto eher sie das Problem lösen, und je mehr es sich herauszögert, desto kostspieliger wird es in politischer Hinsicht, in ethischer Hinsicht und im Hinblick auf das Prestige der Vereinigten Staaten.
Ich bitte die US-Amerikaner, daß sie mich nicht als Gegner ihres Landes ansehen. Ich muß sie auf irgendeine Art bezeichnen und ich nenne sie Vereinigte Staaten, wenn ich das Land verantwortlich machen muß, in dem dieses Verbrechen stattfindet. Aber wenigstens kämpfen wir - sagen wir es mal so - gemeinsam mit vielen, die in den Vereinigten Staaten den Wunsch haben, daß Gerechtigkeit waltet und das Kind befreit wird, und nachdem dies geschieht, muß man Wunden stillen. Unserem Volk bleibt dann einzig der Vorteil, über ein wenig mehr Bewußtsein und politische Kultur zu verfügen als zu Beginn dieses Prozesses.
Andrea Mitchell: Vielen Dank, Herr Präsident.
Sie haben sehr viel Geduld mit uns gehabt.
Fidel Castro: Ich mußte nicht Gebrauch machen von meiner Geduld. Ich habe es mit viel Freude getan und sogar im Wissen, daß es konstruktiv ist.
Die Zeit, über andere Themen zu sprechen, wird kommen. Rechnen Sie dann mit mir.
Andrea Mitchell: Danke, daß Sie uns in dieser Institution empfangen haben. Ich denke, daß es wirklich sehr interessante Dinge zu erzählen gibt über diese Institution und die damit zusammenhängenden Ideen, und wir werden das tun. Wir haben vor, darüber zu berichten.
Fidel Castro: Hoffentlich reicht Ihnen die Zeit, um wenigstens einen kleinen Teil dessen, was ich Ihnen erzählt habe, auszustrahlen (Lachen).
Lugar:
Escuela Latinoamericana de Ciencias Mèdicas
Fecha:
14/12/1999