Eusebio Leal: Alles kann verbessert werden
Eine alte Stadt mit neuem Leben erfüllen, sodass ein kultureller Raum ans Licht tritt, der in den Trümmern und der Verwahrlosung verborgen war. Das ist seit Jahren das Ziel des Teams des Stadthistorikers von Havanna gewesen.
Die verschiedenen laufenden oder bereits vollendeten touristischen und sozialen Projekte machen Havanna zu einem unverzichtbaren Anlaufpunkt für in- und ausländische Besucher.
„Derzeit sind vielleicht die meisten und kompliziertesten Projekte im Gange“, erklärte Stadthistoriker Eusebio Leal, Leiter des Sanierungsprojekts von Alt-Havanna, das von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt wurde, in einem Exklusivinterview mit Prensa Latina.
Im Bereich der Hafenallee Avenida del Puerto, dem hohe Priorität zukommt, weil hier weitgehend über das Schicksal der Altstadt entschieden wird, geht es vor allem um die ökologische Gesundung der Bucht von Havanna und darum, eine Reihe von Einrichtungen und Funktionen zu beseitigen, die dem offenen Welthafen seinerzeit zukamen.
Es handelt sich um ein staatliches Projekt, das im engen Zusammenhang mit den Investitionen im Hafen von Mariel steht. Daher stand zuerst die Planung des gesamten Gebiets im Umkreis der Bucht auf der Tagesordnung und zweitens mussten Übereinkommen mit den Arbeitern, Einrichtungen und Organisationen getroffen werden, die an der Arbeit in diesem Gebiet beteiligt sind. Dies wurde bereits getan.
Der dritte Punkt ist die spezielle monumentale Arbeit des Büros des Stadthistorikers, die sich vorerst auf den Uferstreifen zwischen den Festungen Castillo de la Punta und Castillo de Atarés erstreckt.
Im gesamten Abschnitt gibt es heute Arbeitsobjekte, wie der sogenannte Glaswürfel am Zugang zum Exerzierplatz oder die Gitterkammer des Tunnels, die für die Reinhaltung eines Teils der Altstadt sorgt, während ein weiteres Projekt des Landes in der Erneuerung der Kanalnetze besteht, von denen die wichtigsten das Trinkwasser- und das Abwassernetz sind.
Es wird außerdem an der Revitalisierung der großen historischen Hafendocks San Francisco, Santa Clara und La Machina sowie am Bau des neuen Terminals von Regla gearbeitet, das Ende nächsten Jahres fertig sein soll, und im Zuge dessen, an der Reinigung des gesamten Uferbereichs des Hafens im Gebiet der Alameda de Paula.
Man kann bereits die Reparatur von großen Docks wie dem Tabakwaren-und-Holz-Dock erkennen. Es ist unter diesem Namen bekannt, weil es eine Einrichtung für den Export dieser Produkte war. Jetzt wird es zu einer großen Brauerei. Ihr Bau ist schon abgeschlossen. Sie wird einen großen Speisesaal haben und auf dem Dach dieser Halle wird es einen Aussichtspunkt mit Blick über die Bucht geben.
Der Umbau des Lagers San José wurde abgeschlossen, die Kirche Iglesia de Paula, die als musikalisches Zentrum fungiert, wurde renoviert, ebenso die Sportschule Jesús Montané, und jetzt wird mit anderen Lagerhallen, wie der Juan Manuel Márquez, begonnen.
Die Archäologen arbeiten in der Festung Castillo de Atarés, und in diesem Gebiet werden die Bahnlinien zum Eisenbahnmuseum in der Straße Cristina repariert, wie auch fast 40 alte Lokomotiven, die bereits auf der Bahnlinie platziert werden.
Andererseits wird das große Nationale Capitol renoviert, was ein wichtiges und kolossales Projekt darstellt, unterteilt in Segmente verschiedener Künste: Bronze-, Gips-, Vergoldungs-, Holzarbeiten und die Arbeit an der Kuppel.
An zweiter Stelle wird das Martí-Theater fertiggestellt, ein sehr bedeutendes Bauwerk für Havanna und die Tradition der Stadt. Es wird im Straßenkarree Manzana de Gómez gearbeitet und das Büro des Stadthistorikers arbeitet zusammen mit dem Kulturministerium an einem Projekt im Gran Teatro.
Weitere Arbeiten sind im historischen Zentrum in Gange: ein neues Studentenwohnheim, das bis Ende des Jahres fertiggestellt sein wird, die Sanierung zahlreicher Wohnungen, die Restaurierung großer öffentlicher Monumente wie der für Calixto García und Antonio Maceo, des Denkmals und der Gärten der Opfer der Explosion auf der Maine, und des Denkmals von General Henry Reeve.
Im Bereich der Uferstraße Malecón und im historischen Zentrum sind in diesen Jahren Tausende Menschen in den Nutzen der Programme gekommen, denn man darf nicht nur den individuelle Nutzen betrachten, sondern muss auch den sozialen Nutzen sehen.
Unter den Einrichtungen zum Wohle des Menschen sind Schulen, Waisenhäuser, Einrichtungen für Frauen, Zentren für gefährdete Bevölkerungsgruppen wie ältere und behinderte Menschen hervorzuheben.
Jetzt wird damit begonnen, zwei großen Hotels am Malecón zu bauen. Eines ist das ehemalige Hotel Packard, von dem nur eine Fassade übrig geblieben ist, welche respektiert und in den Bau integriert wird. Auf der gegenüber liegenden Seite, wo die Straße San Lázaro auf die Uferstraße stößt, entsteht ein zweites Hotel, sodass beide, wie die Säulen des Herkules, den Beginn der Promenade Paseo de Prado bilden, die in schnellem Tempo wiederhergestellt wird.
Daneben sind Dutzende und Dutzende von Wohnungen saniert worden, denn es ist vom Büro des Stadthistorikers streng verboten, Reparaturen an den Fassaden auszuführen, die nicht vorrangig die Innenräume des Gebäudes begünstigen.
Der Nutzen hat drei Dimensionen: Das Habitat, das Image, weil es sehr wichtig für die Menschen ist, auf würdige Weise zu leben, und die dritte ist die notwendige Umgestaltung der Lebensweise in diesem Gebiet. Deshalb wurden die Wohnhäuser mit Immobilien anderer Bestimmung und Räumen kultureller Funktion gemischt, und es wird versucht, den Malecón als das zu erhalten, was er für die Kubaner darstellt: eine Art Lächeln von Havanna.
Die Arbeiten sind vor allem auf das historische Zentrum Alt-Havannas konzentriert. Worauf ist dies zurückzuführen?
„Für mich persönlich war es wie das Säen einer Saat, der Ausgangspunkt. Einige Male, und ich glaube zu oft, nahm ich mir den Spruch des griechischen Weisen zum Vorbild: ´Gebt mir einen Hebel, und ich werde die Welt aus den Angeln heben´. Es war notwendig, zuerst an einem klaren Beispiel zu zeigen, dass es möglich war, und dass der Verlust von Havanna ungerecht, schädlich für das Image von Kuba und ein unverhältnismäßig hoher Schaden für die künftigen Generationen wäre.
Deshalb richtete sich die Arbeit des Büros zunächst auf das historische Zentrum. Wir nennen es nicht Alt-Havanna oder Altstadt, weil beide Bezeichnungen etwas dürftig sind. Aber dann merkte ich, dass Havanna zu verschiedenen Zeiten viele Zentren hatte, und alle sollten Gegenstand der Restauration werden, deshalb werden sie im Bereich der Möglichkeiten mit herangezogen.
So haben wir Wahrzeichen der Kultur wie die Universität von Havanna - ich nenne sie die Stadt des Wissens - repariert oder dazu beigetragen. Wir haben in diesem Jahr die Arbeiten im Rektorat, im Auditorium Maximum und in der Bibliothek abgeschlossen, wobei auch die Wandmalereien von Domingo Ravenet gerettet wurden, die eine ganze Generation nicht gesehen hatte. Die Jurafakultät wurde saniert und jetzt arbeiten wir in der Chemiefakultät.
Ein anderes Projekt ist der große Friedhof, der stark in Vergessenheit geraten war, weil man ihn als künstlerisch bedeutend ansah, aber nicht als historisch wichtig. Doch ohne dem, was sich dort befindet, kann die Geschichte einer Nation nicht geschrieben werden.
Also haben wir daran gearbeitet, diese Werte wieder herzustellen, das Verschwundene zu suchen, das Gestohlene – sagen wir es ehrlich - zu ersetzen, und schließlich eine Legion von Jugendlichen der Lehrwerkstatt einzusetzen, die sich zusammen mit einigen Fachleuten den großen Pantheons, dem Eingangstor der Friedhofs und den Grabstätten der großen Persönlichkeiten der Geschichte gewidmet haben.“
Welchen zukünftigen Projekten sieht das Büro des Stadthistorikers entgegen?
„Es gibt einen Masterplan, der mittel- und langfristig die Bodennutzung und die Entwicklung untersucht. Nun geschieht etwas Neues: Es tauchen neue Aktionen auf, in diesem Fall positive und in vielen Fällen von uns geleitet, oder zumindest begleitet und überwacht, von Leuten, die Häuser gekauft haben, oder Bankdarlehen beantragt oder Unterstützung durch Familienangehörige erhalten haben und Unternehmen in der Altstadt gründen, die mit diesen Plänen vereinbar sind.
Es wurde verstanden, dass man in das Historische Zentrum kommt, um es zu genießen, und dass seine Zerstörung eine neue Banalität und ein fataler Fehler wäre.
An einigen Orten, wie auf dem Abschnitt der Straße Aguiar, von der Hafenstraße bis zur Straße Cuarteles, hat es eine Umgestaltung unter der Führung der Gemeinschafts-Akteure gegeben, und das ist nachahmenswert. Es entsteht eine Art positiver Tendenz zum Bewahren, zur Wiederherstellung, und es wird dieser traurigen und schwierigen Zeit, von der wir wissen, dass sie zwangsläufig war, ein Ende gesetzt, als die Dinge verloren gingen. Jetzt kehren die Dinge zurück, oder bleiben zumindest.“
Sie sind vor kurzem zum Koordinator des Netzes der Büros der Historiker und Schöpfer von Kuba ernannt worden. Könnten Sie sich zu dieser neuen Verantwortung äußern, die sich auf andere Städte des Landes erstreckt?
Es sind legitime Bewegungen entstanden, einige mit einer langen Tradition, wie im Fall von Trinidad, das seit langer Zeit seine Historiker hat.
In Camagüey gibt es ein sehr interessantes Projekt. Das Büro des Stadthistorikers ist unserem am ähnlichsten und hat einen Prozess in die Wege geleitet, der dem vergleichbar ist, wie ich sage, was passiert, wenn jemand einen Stein auf eine Wasseroberfläche wirft. Und vom Agramonte-Platz und vom Carmen-Platz aus entstehen viele Restaurierungsinitiativen.
Es ist jetzt notwendig, dass alle dieses Signal aufnehmen und erkennen, dass die Stadt wertvoll ist, solange sie ihre Identitätsmerkmale bewahrt, was auch für Havanna gültig ist.
Es gibt zwei Strömungen, eine, die wiederherstellt, die wir sofort prämieren und anerkennen müssen, und eine, die verzerrt und alles nach einer Art Mode des Neureichen verändert. Plötzlich füllt sich eine Fassade mit Keramikplattenstücken. Es wäre schön, wenn es ein wenig Ähnlichkeit mit dem hätte, was Gaudí gemacht hatte, aber es scheint dessen Karikatur zu sein. Es beginnen Gips-Löwen aufzutauchen, die seltsamstenWasserspeier, wiederkehrende Flaschen überall, Farben, die nicht zu Havanna passen. Und ich denke, um dies alles muss man sich kümmern.
Es gibt auch eine sehr interessante und neue Bewegung in Sancti Spiritus; eine weitere nach dem Zyklon in Santiago de Cuba – vorher wurde auch etliches getan, aber jetzt mit größerer Kraft - und eine wunderbare Arbeit in Baracoa.
Die Aufgabe besteht darin, die sieben Städte, die Nationalerbe darstellen, zu organisieren, unsere Erfahrungen austauschen und uns gegenseitig zu helfen, Kolloquien für die Aus- und Weiterbildung von Fachleuten zu schaffen und die neuen Generationen für derartige Fußgängerzonen-Städte zu begeistern.
Es ist ein politischer Wille der Nation vorhanden, das Land will alles, außer sein kulturelles Erbe verlieren, aber es gibt immer jemanden, der als Kuppler dient, damit es verloren geht, und es gibt immer jemanden, der als Leitfigur dient, damit es gerettet wird.“
Präsident Raul Castro widmete seine Rede auf der ersten ordentlichen Tagung der 8. Legislaturperiode der Nationalversammlung dem Thema Ordnung, Disziplin und Anspruch in der kubanischen Gesellschaft. „Dabei ist der reale und im übertragenen Sinne stattfindende Niedergang der Aufrichtigkeit und des guten Benehmens der Kubaner am meisten zu beklagen. Es ist nicht zulässig, Vulgarität mit Modernität, noch Plattheit oder Schamlosigkeit mit Fortschritt in Eins zu setzen; in Gesellschaft zu leben bedeutet in erster Linie, Normen anzunehmen, die den Respekt vor dem Anderen und den Anstand wahren.“ Gerade dafür haben Sie seit Jahren gearbeitet. Wie viel bleibt noch zu tun?
„Seine Rede war sehr mutig und es ist zu erkennen, dass diese Beeinträchtigung des Konzepts der Schönheit und der Verhaltensweise unvereinbar ist mit dem wahren Geist einer Revolution.
Es gibt bestimmte Verhaltensweisen, die sich eingebürgert haben, die aber nicht akzeptabel sind. Die Avantgarde und die Elite werden verwechselt, ich arbeite nicht für Eliten, sondern für die Avantgarde.
Ich glaube, dass, wie ein vor kurzem verstorbener enger Freund, Alfredo Guevara, sagte, die Schönheit sehr wichtig für den Menschen ist, so wie das Brot. Die Schönheit ist seine Beziehung zum Ideal, zu dem, was er will und fühlt. Sie ist wie ein Streben, besser zu leben, in einem Leben, das von Natur aus immer kurz ist.
Und dann gibt es eine derartige Verachtung der sozialen Arbeit, wenn nach dem Zeit- und Energieaufwand, um eine Skulptur zu restaurieren, am nächsten Morgen eine anonyme Schmiererei auf ihr erscheint, weil jemand mit irgendetwas, was auch immer, nicht einverstanden ist. Er soll dies bei sich zu Hause tun, aber nicht an einem öffentlichen Gut.
Für alles gibt es einen Moment im Leben, es gibt Zeiten zum Lachen, zum Schweigen und Zeiten zum Weinen, und das ist legitim. Es kann keine großen Feste geben, wenn man trauern muss. Es darf keine Banalität geben, wenn es erforderlich ist, mit den besten Handlungsweisen Beispiele zu setzen.
Wir haben eine reiche, schöne Sprache, und auch, wenn es in Zeiten der Verzweiflung legitim ist und es fast ein zur Sprache und Geschichte zugehöriges Element ist, ein starkes Wort zu verwenden, dürfen wir es im Fernsehen nicht als Gewohnheit akzeptieren, dass man mit dem Vorwand, ´wie das Volk´ zu reden, tiefe Fehler begeht.
Ich kämpfe, weil alles verbessert werden kann. Wenn ich das in der Architektur glaube, glaube ich es auch in menschlicher Hinsicht. Ich glaube, es muss erzogen werden, es gibt einen Weg zur Wiederherstellung der ursprünglichen Rolle der Schule, es gibt einen Weg - und es ist in der Ansprache von Raúl enthalten – über den Wert der Familie als geeignetem Partner der Schule.
Seine Worte müssen berücksichtigt werden, und man muss wirklich Angst davor haben, dass sie zu bloßen Slogans werden. Man muss versuchen, dass es zum alltäglichen Verhalten wird, zum täglichen Dekalog des guten Lebens der Kubaner.“