ANSPRACHE DES PRÄSIDENTEN DER REPUBLIK KUBA FIDEL CASTRO RUZ, AUF DER AUßERORDENTLICHEN TAGUNG DER NATIONALVERSAMMLUNG DER VOLKSMACHT IM KONGRESSPALAST, AM 26. JUNI 2002
Datum:
Genossinnen und Genossen!
Es ist alles gesagt und das viel besser, als ich es sagen kann. Eine Zusammenfassung und die Erwägung einiger Gesichtspunkte ist das einzige was ich tun kann.
In den Tagen, als er von seinem Amt Besitz ergriff, wollten wir keine rhetorischen Auseinandersetzungen mit dem neuen Präsident der Vereinigten Staaten. Obwohl wir nicht die geringsten Zweifel über seine Politik in Bezug auf Kuba hegten, sahen wir keinen Nutzen darin, den ersten Stein zu werfen. Wir würden geduldig sein.
Eine Gruppe der Ultrarechten hatte in den Vereinigten Staaten die Macht ergriffen, und wir wußten von ihren Abmachungen und Kompromissen, die sie noch vor den Wahlen mit den Mafia-Gruppen von Miami eingegangen waren, um die kubanische Revolution zu beseitigen, und welche meine eigene physische Beseitigung nicht ausschlossen. Der Zufall fügte den eigentümlichen Umstand hinzu, daß jene, mittels Wahlbetrug, die Wahl von Bush zum Präsidenten entschieden.
In der ersten Etappe fanden die gewöhnlichen antikubanischen Manöver in Genf statt. Nichts Neues, nur daß die Druckmethoden gegen die Delegationen bei der Kommission für Menschenrechte brutaler als gewöhnlich waren.
Es war fast ein erstes Jahr ohne spezielle Neuigkeit vergangen: Die traditionellen rhetorischen Attacken gegen Kuba, die Versammlung des ALCA in Quebec und die ungeschickte Bezugnahme seitens des Herrn Bush bei diesem Ereignis auf das Ideengut von Martí, welche eine Flut von Briefen der kubanischen Kinder und Jugendlichen hervorrief, wo diese dem Präsidenten der Vereinigten Staaten mit der höchstmöglichen Höflichkeit erläutern, wer unser Apostel und Nationalheld war und wie er dachte. das waren die herausragendsten Tatsachen in den bilateralen Beziehungen.
Im internationalen Bereich setzten die Entscheidung für einen nuklearen Raketenabwehrgürtel, die Mißachtung der in Kyoto eingegangenen Verpflichtungen und die Verkündung hoher militärischer Ausgaben zur Entwicklung neuer und spitzfindiger Waffen als nicht einmal mehr der kalte Krieg existierte, frühzeitige Zeichen über die Denkweise, den Stil und die Methoden der neuen Verwaltung der hegemonischen Supermacht.
Die internationale Wirtschaft begann überall beunruhigende Symptome zu zeigen: Alle Kennziffern und Prognosen verwandelten sich in pessimistische. Die Welt trat in eine ungewisse und bestürzende Rezession ein. Die Grunderzeugnisse, von denen die überaus große Mehrheit der Nationen der Dritten Welt leben, waren auf einem Tiefstand, während die neoliberale Globalisierung, die erzwungene Privatisierung, die Auslandsverschuldung und die Ölpreise ihr Zenit erreichten.
Innerhalb dieser Umstände ereignen sich die tragischen, absurden und nicht zu rechtfertigenden Tatsachen des 11. September. Die Welt unterstützte einstimmig und solidarisch das Volk der Vereinigten Staaten. Unabhängig von den Fehlern und Unstimmigkeiten der Außenpolitik der Verwaltungen dieses Landes, gab es keinen, der nicht von dem scheußlichen Blutbad an Tausenden von unschuldigen Amerikanern, von dort Geborenen oder aus den verschiedensten Ländern Abstammenden erschüttert worden war.
Es war die Stunde der Gewissensprüfung und nicht die des Schürens, Multiplizierens und Kapitalisierens des absurden während ganzen Jahrzehnten akkumulierten Hasses. Die übermächtige Nation müßte gleichmütig sein; der Rest der Welt hatte die Pflicht mutig zu sein. Ersteres hing von ihren Leadern ab; das zweite, von einem elementaren gesunden Menschenverstand und Anstand. Solche Tugenden sind nicht häufig. es geschah weder das eine, noch das andere. Der Mächtigste verfügte am 20. September, 9 Tage nach dem verwerflichen Terrorakt, einen Weltstaatsstreich, in dem er in Kriegsstimmung erklärte, daß alle Länder wählen müßten zwischen entweder seine Verbündete zu sein, oder seine Feinde. Die Vereinten Nationen verloren die geringe Autorität, die ihnen eine fehlerhafte Satzung zugestand, durch ein Verfahren, das antidemokratischer nicht sein kann: das Vetorecht. Die anderen Staaten, um die 184, die sich normalerweise damit beschäftigen Vereinbarungen, fast immer erhabener Natur, abzustimmen, die aber niemals ausgeführt werden, haben dieses Mal selbst das Stimmrecht verloren.
Seitdem hört man nur den schreienden Lärm der Irrationalität, der Drohungen und der Waffen.
Die Wirtschaftskrisen, mit ihren Folgen von Armut und Hunger, multiplizieren sich; der Egoismus wächst, die Solidarität wird schwächer; die Krankheiten, manchmal selbst schlimmer als die Kriege, bedrohen gänzliche Regionen mit dem Aussterben. Die Wirtschaftswissenschaften stehen vor Problemen, die sie sich nie vorgestellt hätten, und sind an Konzepte und Kategorien wie an einen schweren Ballast angebunden, die sie in ein Meer der Ungewißheit und Impotenz versenken. Das haben sie in den großen und anerkannten Universitäten eines Wirtschafts- und sozialen Systems gelernt, welches heute ein anachronistisches Weltimperium geworden ist. Die Politik hat aufgehört, die Illusion einer erhabenen und nützlichen Kunst zu sein, mit der sie immer träumte sich zu rechtfertigen, um sich in eine banale und entwürdigende Unterhaltung zu verwandeln. Das ist eine große Tragödie, aber nicht unlösbar. Die eigene Unhaltbarkeit des Systems wird die Menschheit dazu bringen, Lösungen zu suchen.
Stellen wir wieder beide Füße auf die Erde, in dem begrenzten Raum unseres Planeten, wo sich unser Land befindet, wir Kubaner haben das Recht, die bescheidene Freiheit der erfüllten Pflicht zu genießen. Wir sind das Ergebnis von großen Ereignissen und historischer Strömungen, die während vieler Jahrhunderte stattfanden. Koloniale und Sklavenhaltergesellschaft, mit starken Gefühlen für die Annexion und gegen die Unabhängigkeit in den reichsten Schichten der Einheimischen bis vor ein bißchen mehr als einem Jahrhundert; titanischer Kampf des wachsenden patriotischen Sektors während 30 Jahren, schon in der Nähe ihrer Ziele; die mit Zähigkeit und Heldentum seiner besten Söhne geschmiedete Nation interveniert durch Truppen der Vereinigten Staaten, verraten und verkauft, hin und her getragen von unendlich größeren Kräften, sehen wir uns heute, ein kleines Land, unabhängig und vollkommen frei, erhaben vor der stärksten imperialen Macht, die je existierte und die gar nicht dem Frieden zugeneigt ist und nicht die Rechte der Völker respektiert.
So ein einzigartiger Fall war in keinem Buch beschrieben. Vom tiefen Abgrund der Vergangenheit waren die Ideen, die Gefühle und die Kräfte hervorgequollen, die uns bis hierher gebracht haben, uns hier erhalten und erhalten werden.
Nach dem beschämenden Manöver in Genf, wo die Regierung der Vereinigten Staaten nach brutalem Druck einen knappen Pyrrhussieg erreichte, tauchen im vergangenen Mai gefährliche Tatsachen auf: Am 6. beschuldigt uns die Regierung der Vereinigten Staaten Forschungen zu biologischen Waffen durchzuführen; am 20., die Reden Bush in Washington und Miami; am 21. wird der Einschluß Kubas in die Liste der Länder, die den Terrorismus begünstigen, wiederholt; am 1.Juni, die ungewöhnlichen Urteilsfällungen von Bush in West Point.
Am 20. Mai widmete der Präsident der Vereinigten Staaten einen ganzen Tag Kuba und seiner Revolution! Was für eine große Ehre! Er erinnert sich unser, dann existieren wir!
Ich weiß nicht, wann der Präsident der Vereinigten Staaten seine Reden schreibt, wann er einen seiner intimen Berater mit dieser Arbeit beauftragt, oder ob sie ein Hybrid beider Sachen sind. Unter egal welchen dieser Umstände sind gewöhnlich die Arroganz, die Demagogie und die Lüge untrennbare Begleiter solcher Reden. An diesem Tag hielt er zwei: eine im Weißen Haus und die andere in Miami. Er zeigte sich verächtlich, beleidigend und wenig respektvoll dem Gegner gegenüber. das Wichtigste waren nicht die Beleidigungen und Beschimpfungen. Diejenigen, denen die Argumente fehlen, haben keine anderen Waffen, als die Lüge und die Adjektive. Was als wesentlich angesehen werden soll, sind ihre makabren Absichten, ihre wahnwitzigen Pläne und ihre Illusionen.
Ein Beispiel für unfaßliche Falschheit und Respektlosigkeit gegenüber der internationalen öffentlichen Meinung fand statt, als der Herr Bush in seiner Rede im Weißen Haus ruhig behauptete, daß die Vereinigten Staaten und ihre Alliierten und Freunde die Freiheit in Ländern wie Südafrika erreichten.
Die ganze Welt weiß, und die neuen Generationen müssen es erfahren, daß es in Cuito Cuanavale und im Südosten von Angola war, wo das Ende des Apartheid entschieden wurde, mit der Teilnahme von mehr als Vierzigtausend kubanischen Kämpfern an dieser Front an der Seite der angolanischen und namibischen Soldaten. Die Verwaltungen der Vereinigten Staaten haben Savimbi aufgerüstet, der Millionen von Minen säte und Hunderttausende von Zivilen ermordete. Sie haben komplizenhaft darüber geschwiegen, daß Südafrika sieben Nuklearwaffen besaß, mit der Idee, daß diese gegen die kubanischen Truppen verwendet würden.
Bush verwechselt seine Wünsche mit den seltsamsten Phantasien.
„Vor 100 Jahren,“ sagte er in Miami, „erklärte das stolze Volk von Kuba seine Unabhängigkeit und brachte Kuba auf den Weg der Demokratie. Wir sind heute hier, um diesen wichtigen Jahrestag zu feiern.“
Für ihn existierte der Platt-Zusatz nicht, der Betrug, der Verrat, das Recht zu intervenieren, die Beleidigung der Souveränität von Kuba, die dieser darstellte. Es existierte nicht einmal die Geschichte.
Er spricht von einem Peter Pan, heute einer seiner Minister. Und er sagte nicht, daß in jener monströsen Operation, die jenen Namen trug, organisiert von den Autoritäten der Vereinigten Staaten auf der Grundlage einer zynischen und abstoßenden Lüge, Vierzehntausend kubanische Kinder heimlich aus dem Land geschleust wurden.
Sofort greift er zur melodramatischen Geschichte eines kubanischen Jungen, der 1995, als er zehn Jahre alt war, in den Vereinigten Staaten ankam, der in einigen Wochen die Senior High School von Miami abschließen und der erste dieser Bildungsstätte sein würde, der in die Universität Harvard eintreten würde. Er hatte nicht und konnte auch nicht die minimal notwendige Ehrlichkeit besitzen, anzuerkennen, daß nur ein Kind aus Kuba kommend- einziges Land der Hemisphäre, wo ab der Vorschule alle eingeschult sind und hundert Prozent der Kinder die sechste Klasse mit den doppelten Durchschnittskenntnissen in Sprache und Mathematik abschließen, wie es die UNESCO bezeugt- mit einigen wenigen anschließenden Studienjahren in Harvard eintreten kann. Es ging nicht um einen in einer öffentlichen Schule erzogenen Einwanderer des Restes von Lateinamerika, auch nicht um einen indianischen oder schwarzen Nordamerikaner.
Unmittelbar ergänzt er, daß in Kuba niemand etwas zugute gekommen ist, „weder den Werktätigen, noch den Bauern oder den kubanischen Familien, nur Elend und Isolierung.“
Er versucht nicht einmal zu erklären, warum denn dann vier Jahrzehnte von Aggressionen, Terrorismus, Blockade und Wirtschaftskrieg seitens der Vereinigten Staaten. Um jenen entgegenzutreten waren eine große Dosis von Bewußtsein, Politik, Kultur, Heldentum und Unterstützung des Volkes notwendig, sie haben jedoch überhaupt nicht jene Revolution, die nichts für das Volk getan hat, zerstören oder schwächen können.
Der Herr Bush fügt hinzu, unter anderen Oberflächlichkeiten, daß, als alle Nationen der Hemisphäre den Weg zur Demokratie gewählt haben, ich den „des Gefängnisses, der Folter und des Exils für die Kubaner ausgewählt habe, die sagen, was sie denken.“ Diese verleumderische Referenz über die Anwendung der Folter in unserem Land macht genau das Oberhaupt jenes Staates, der in Spezialschulen Zehntausende von Lateinamerikanern ausbildete, die in fast allen Ländern unserer Hemisphäre verantwortlich für Hunderttausende von Gefolterten, Verschleppten und Toten waren. Unser Sicherheitspersonal hat nie Unterricht von solch geübten Meistern erhalten. Wenn der Herr Bush in der Lage wäre, einen einzigen Fall von Folter in Kuba in den mehr als vier Jahrzehnten der Revolution zu beweisen, wären wir bereit, eine Goldskulptur zu errichten, selbst wenn wir dafür die Kollektion unseres Numismatikmuseums einschmelzen müßten, um sein Andenken zu ehren, als einer der weniger Lügenhaften aller Lügenhaften der Welt.
Die unser Vaterland und seine lange und unheilvolle Geschichte von Grund auf kennen, wissen, daß die ethischen Prinzipien der Revolution, etwas was ihre außerordentliche Kraft und Widerstandskraft erklärt, ganz und gar nicht die Prinzipien des Herrn Bush sind.
In den ungehörigen Reden, die er am 20. Mai hielt, kündigte er an:
„Meine Administration wird auch daran arbeiten, Wege zur Modernisierung der `Martí´- Radio- und Fernsehsender suchen.“
Wie man ersehen kann, während Kuba jeden Tag mehr Stunden im Fernsehen den Schul- und Universität-für-Alle-Programmen widmet und Ressourcen für die Erweiterung eines Erziehungskanals auf das ganze Land investiert, der wachsendes Prestige und Unterstützung im Volk gewinnt, verspricht die Regierung der Vereinigten Staaten, ganz abgesehen von der Beleidigung, den Namen unserer heiligsten historischen Figur zu verwenden, mehr Geld in die Modernisierung von Radio- und Fernsehsendern zu investieren, um unsere Kultur anzugreifen und Desinformation, Lügen, Gift und Subversion in unserem Land zu säen.
In einem Anflug der phantasierend erscheinen würde, erklärt er sich sprachlos, da er gelesen habe- ohne daß jemand wüßte, wo er es las- daß in dieser modernen Ära das kubanische Regime den öffentlichen Verkauf von Komputern verbietet. Er behandelt uns, als wären wir ein entwickeltes und reiches Land. Niemand ist es in den Sinn gekommen, ihm zu sagen, daß dennoch Kuba in diesem Moment das einzige Land dieser Hemisphäre ist, möglicherweise die Vereinigten Staaten eingeschlossen, wo hundert Prozent der Schulen und Lehranstalten, beginnend bei der Vorschule bis zum letzten Jahr der Universität, Computerlabors und -lehrer zur Verfügung haben, trotz der eisernen und grausamen wirtschaftlichen und technologischen Blockade, die unserem Volk auferlegt wurde, um ihm jeglichen Fortschritt auf jeglichem Gebiet unmöglich zu machen.
Der Herr Bush könnte berechtigt sprachlos werden, ,wenn er in der Lage wäre zu glauben, daß unser Land heute möglicherweise das einzige des Planeten ist, das um eine allgemeine integrale Kultur kämpft, wo derjenige, der nur die Kenntnisse einer Universitätskarriere besitzt, in nur wenigen Jahren als funktioneller Analphabet angesehen werden wird. Dann werden wir mit den Bürgern der Vereinigten Staaten und anderer entwickelter Länder nicht nur in den Kommunikationsmöglichkeiten in mehreren Sprachen per Internet, sondern auch in Erziehungs- und Kulturniveau wetteifern können. Es wäre besser, er würde die Kinder und Jugendlichen seines Landes auf diese nicht ferne Zukunft vorbereiten, und besonders sie vor dem zerstörenden und entfremdenden Effekt der Kommerziellen und Konsumpublizität schützen.
Noch etwas schamhaftes und unzulässiges: Der Herr Bush versicherte, daß „wenn Kuba beginnt, wichtige grundlegende auf den Markt orientierte Reformen anzunehmen“- das heißt, auf den Kapitalismus orientierte, -„dann und nur dann würde er mit dem Kongreß der Vereinigten Staaten daran arbeiten, die Einschränkungen in Bezug auf die Reisen und den Handel zwischen unseren beiden Ländern zu flexibilisieren.“
„Wir werden weiterhin die nordamerikanische Finanzierung der kubanischen Einkäufe von nordamerikanischen landwirtschaftlichen Produkten verbieten, weil das nichts anderes als ein Programm verkleideter, ausländischer Hilfe sein würde, das nur dem aktuellen Regimen Nutzen bringen würde.“
„Wenn der Herr Castro unser Angebot abschlägt, würde er seine Parteigänger auf Kosten seines Volkes beschützen und am Ende wird er, trotz aller dieser Unterdrückungsinstrumente, sich vor seinem Volk verantworten müssen.“ Das ist genau das, was ich tue, Herr Bush: mich vor dem Volk verantworten, Rechenschaft über mein Leben und meine revolutionäres Betragen abzulegen, um gemeinsam mit ihm die Antwort zu erarbeiten, die wir auf die Forderungen und Drohungen, die sie einem Volk mit der Ehre und Würde eines Volkes wie dem kubanischen nicht hätten stellen sollen und nicht das Recht haben zu stellen.
Mit unschuldiger und anmaßender Verwegenheit, erklärt der Herr Bush, daß „er Stipendien an kubanische Studenten und Fachleute, die versuchen, unabhängige zivile Institutionen innerhalb Kubas zu schaffen, und an die Angehörigen von politischen Gefangenen verleihen wird.“
In Kuba genießen unsere Heranwachsenden und Jugendlichen fast eine halbe Million von Stipendien für alle Arten von Schulbildung. Diese Stipendien werden nach akademischer Leistung oder nach den Bedürfnissen unserer Studenten vergeben, je nachdem, um welche Einrichtungen es sich handelt. Keiner der Kinder oder Jugendlichen wird diskriminiert. Die Idee, daß so etwas aus politischen Gründen gemacht werden könnte, ist beleidigend und unzulässig.
Der Herr Bush bietet Stipendien an, die das Land absolut nicht braucht, und er tut das mit anderer Zielstellung. Er darf sich nicht der Vorstellung hingeben, daß wir zu einem Plan beitragen werden, der etwas Ähnliches wie die School of the Americas schaffen will, um umstürzlerische und Destabilisierungs-Agenten im Dienste seiner imperialen Einmischungspläne zu formen.
In Kuba werden jedes Jahr, zusätzlich, Tausende von Stipendien an junge Ausländer verliehen und wir diskriminieren niemand aus etnischen oder ideologischen Gründen. Es wäre besser, der Herr Bush würde diese Stipendien jungen Schwarzen, Indianern oder lateinamerikanischen Ursprungs in den Vereinigten Staaten gewähren, die nicht studieren können.
Die Regierung der Vereinigten Staaten begeht gleichfalls einen Fehler, wenn sie im voraus damit rechnet, daß jene Bürger straflos ausgehen, die im Sold einer ausländischen Macht stehen – ein Delikt, für das die US-amerikanischen Gesetze harte Strafen vorsehen – oder wenn sie meint, daß jene, die, in welcher Tarnung auch immer, Kuba zum Zwecke des Transports von Mitteln und der offenen Verschwörung gegen die Revolution besuchen, Erleichterungen erfahren werden oder daß die Mitarbeiter ihrer Interessenvertretung ein Recht haben, unter dem Vorwand der Prüfung der Lage der nach Kuba zurückgeführten illegalen Emigranten über Land zu fahren und nach Gutdünken Netze zu organisieren und Verschwörungen anzuzetteln und dabei die Verhaltensnormen von Diplomaten verletzen. Wir sind nicht bereit, weder Verletzungen unserer Souveränität noch demütigende Mißachtung der für Diplomaten geltenden Verhaltensnormen zu gestatten. Ebenfalls unzulässig ist Warenschmuggel im Diplomatengepäck. Es wird der Regierung der Vereinigten Staaten zuzuschreiben sein, sollte die Fortsetzung dieser Praktiken zur Aufhebung des Migrationsabkommens, ja einschließlich zur Schließung der Interessenvertretung in Havanna führen. Wir wünschen es nicht, denn es wäre dieser ein bedauerlicher Schritt zurück in den wenigen Aspekten der Beziehungen zwischen beiden Ländern, bei denen man vorangekommen ist.
Doch wir sind bereit, auf alles Mögliche, ja sogar auf das Leben zu verzichten, nur nicht auf die Würde und die Souveränität unseres Landes. Wir sind es nicht, die wir die Vereinigten Staaten angreifen, anfeinden und blockieren. Wir verlangen von ihnen nicht, ihre Verfassung und ihr Wirtschafts- und politisches System zu ändern. Wir respektieren strikt die Rechte der anderen Staaten. Die unseren sind also ebenfalls zu respektieren.
Beweise für einen ehrlichen Geist der Kooperation in Fragen gemeinsamen Interesses haben wir mehr als genug geliefert. Von uns sind drei Projekte für bilaterale Vereinbarungen zur Bekämpfung des Drogenhandels, des Menschenschmuggels und des Terrorismus ausgegangen.
Noch ein Beispiel: Angesichts der illegalen Nutzung des Militärstützpunktes Guantánamo als Gefangenenlager für ausländische Gefangene trafen wir die entsprechenden Maßnahmen und schufen Erleichterungen in diesem unebenen und bergigen Gelände, um Unfälle sowohl unter dem US-amerikanischen Militärpersonal als auch unter den Gefangenen zu vermeiden.
In seiner Rede spricht Herr Bush von politischen Gefangenen in Kuba, erwähnt jedoch mit keinem Wort die kubanischen Helden, die Gefangene des Imperiums sind und in den Vereinigten Staaten zu Unrecht zu Dutzenden Jahren Haft und einige zu lebenslänglicher Haft verurteilt wurden. So reden sie von Spionen dort und von politischen Gefangenen hier. Wir sprechen von politischen Gefangenen dort und von konterrevolutionären Gefangenen und Spionen hier.
Zum Schluß noch ein Punkt, den wir nicht übergehen dürfen: die Diffamierung und grobe Beleidigung, als er in Miami behauptete, der Handel mit Kuba bewirke nichts anderes als das Füllen der Taschen von Castro und seiner Anhänger.
Herr Bush, ich bin den korrupten Figuren, die Sie in der Welt mit Ihrer Freundschaft beehren, absolut nicht ähnlich; oder jenen, die nach kapitalistischen und neoliberalen Rezepten den Staat konfiszierten und Hunderte Milliarden Dollar ins Ausland schafften, wovon ein großer Teil von renommierten und einflußreichen US-amerikanischen Banken gewaschen wurde. Sie, der Sie als Millionär und Sohn eines Millionärs an den hohen Vermögensbeträgen so eng verbunden sind, werden vielleicht niemals begreifen können, daß es Menschen gibt, die unbestechlich sind und denen das Geld gleichgültig ist.
Ich bin nicht vollkommen arm geboren. Mein Vater besaß Tausende Hektar Land. Mit dem Sieg der Revolution wurde dieser Boden den Arbeitern und Bauern übergeben. Ich habe die Ehre, sagen zu dürfen, daß ich nicht einen einzigen Dollar weder besitze noch einnehme. Mein gesamtes Vermögen, Herr Bush, hat in der Tasche Ihres Hemdes Platz. Sollte ich diese eines Tages benötigen, um mein Vermögen an einem gut geschützten Ort vor Präventiv- und Überraschungsüberfällen zu bewahren, dann würde ich Sie darum bitten; und sollte es umfangreich sein, dann spende ich es im voraus als Mietzahlung.
Es ist schon sonderbar zu sehen, wie in der Rede von Präsident Bush am 20. Mai, die er am gleichen Tag zweimal hielt, ein subtiler Unterschied enthalten ist. In der Rede im Weißen Haus wird weder das Wort Folter noch der plumpe Satz über die Taschen Castros und seiner Parteigänger erwähnt. Diese Worte fügte er im James L. Knight Center zum vollen Vergnügen seiner Spezis in Miami ein, der gleichen, die nach der Rückführung von Elián zu seinen Angehörigen nach Hause wutentbrannt die US-amerikanischen Fahnen mit Füßen traten und anzündeten. So etwas hat es in Kuba seit dem Sieg der Revolution nie gegeben.
Auf Ihre Rede in West Point nahm ich bereits in Santiago de Cuba Bezug. Es sind heute nicht wenige auf der Welt, einschließlich in Ihrem eigenen Lande, die die Besorgnis hinsichtlich der Philosophie teilen, die Sie dort zum Ausdruck brachten. Ich werde dem hier nichts hinzufügen. Mir bleibt lediglich das Vergnügen, Ihnen mitzuteilen, daß Sie mit Ihren Drohungen eines schnellen Überraschungsangriffes hier in diesem dunklen Winkel der Welt niemandem Furcht einjagen.
Alle unsere Frauen und Männer leben den Countdown. Seit langem widmen wir unserer Sache jede Minute unseres Lebens.
Sie, Herr Bush, verlieren an Autorität. Theoretisch haben Sie die Macht, über einen großen Teil der Welt den Tod zu verhängen; doch Sie können dies nicht allein tun. Um die übrige Welt zu töten, benötigen Sie die Hilfe vieler. Unter den militärischen und zivilen Befehlshabern in den Machtstrukturen Ihres Landes gibt es viele fähige und gebildete Personen. Bei ihnen ist ein Befehl nicht ausreichend. Sie müssen überzeugt werden, und man wird dies immer weniger erreichen in dem Maße wie Ihre politischen Berater ohne militärische, ja nicht einmal politische Fähigkeit und Erfahrung einen Fehler nach dem anderen begehen. Schaurige Lügen und gelegentliche Erfindungen reichen nicht aus, um Präventiv- und Überraschungsattacken gegen eines der 60 oder noch mehr Länder, gegen mehrere oder gegen alle zu starten.
Auch leben in Ihrem Land Millionen Wissenschaftler, Intellektuelle, Berufskader der unterschiedlichsten Disziplinen, die gut zu unterscheiden wissen zwischen dem Guten und dem Bösen, denen die Historie und die schrecklichen Realitäten der Welt von heute bekannt sind, die eine Meinung haben und Meinungen formen. Auch der Rest der Welt vergißt nicht so leicht die Tragödien, zu denen die von Ihnen vertretenen Ideen und Konzeptionen führen können.
Das sagt Ihnen ohne Sie persönlich kränken oder beleidigen zu wollen jemand, der lediglich die bescheidene Fähigkeit der kalten Überlegung besitzt und für den es, ebenso wie für ein ganzes mutiges und heldenhaftes Volk, seit langer Zeit das Bewußtsein der Furcht nicht mehr gibt.
Es lebe der Sozialismus!