Redebeitrag von Fidel Castro Ruz, Präsident des Staatsrates und des Ministerrates der Republik Kuba, in der Plenarsitzung der 105. Konferenz der Interparlamentarischen Union im Kongreßzentrum Palacio de las Convenciones. Havanna, 5. April 2001
Datum:
Frau Präsidentin und weitere Mitglieder der Sitzungsleitung;
Verehrte Parlamentarier:
Als ich im Jahr 1981 bei der 68. Interparlamentarischen Konferenz sprach, sagte ich – nach der Aufzählung von Prozentzahlen und Angaben zur Verdeutlichung der wachsenden Kluft zwischen der entwickelten und opulenten Welt und den Ländern, die deren Kolonien und Herrschaftsgebiete darstellten und über Jahrhunderte hinweg Opfer von ununterbrochener Ausplünderung waren – einen Satz, der damals übertrieben erscheinen konnte: „Wenn die Gegenwart tragisch ist, so lauert für die Zukunft Finsternis."
Niemand soll versuchen, uns mit den neuen Begriffen zu täuschen und zu verwirren, die der scheinheiligen Propaganda von Spezialisten in Lüge und Betrug entspringen, die im Dienst derer stehen, die der Menschheit eine immer ungleichere und ungerechtere politische und ökonomische Ordnung aufgezwungen haben. Diese Ordnung hat absolut nichts Solidarisches oder Demokratisches und nicht einmal einen Hauch von Respekt vor den minimalsten Rechten, auf die die Menschen einen Anspruch haben.
Ich übertrieb nicht, als ich jenen Satz sprach.
Die Auslandverschuldung der Dritten Welt, die sich 1981 auf 500 Milliarden Dollar belief, erhöhte sich bis zum Jahr 2000 auf 2,1 Billionen Dollar. Der auf Lateinamerika entfallende Anteil betrug damals 255,188 Milliarden Dollar. Diese Zahl erhöhte sich bis zum Jahr 2000 auf 750,855 Milliarden Dollar.
1981 betrug der Schuldendienst der Dritten Welt 44,2 Milliarden Dollar. Im Jahr 2000 waren es bereits 347,4 Milliarden Dollar.
Das Bruttosozialprodukt (BSP) pro Kopf in den entwickelten Ländern belief sich 1978 auf 8 070 Dollar; zwanzig Jahre später, 1998, betrug das BSP pro Kopf dieser Länder 25 870 Dollar, während das BSP pro Kopf in den Länder mit den niedrigsten Einkünften im gleichen Zeitraum nur von 200 Dollar auf 530 Dollar anstieg. Die abgrundtiefe Differenz hatte sich noch einmal vertieft.
Die Anzahl von unterernährten Personen, von denen fast alle aus den Ländern der Dritten Welt kamen, stieg von 570 Millionen im Jahr 1981 auf 800 Millionen im Jahr 2000.
Die Zahl der Arbeitslosen stieg im Zeitraum 1981-2000 von 1,103 Milliarden auf 1,6 Milliarden.
In der Gegenwart tätigen die reichsten 20 % der Weltbevölkerung 86 % der Ausgaben für privaten Konsum, während die ärmsten 20 % nur 1,3 % dieser Ausgaben tätigen.
In den reichen Ländern ist der Pro Kopf-Stromverbrauch zehnmal höher als in allen armen Ländern zusammen.
Laut Angaben der Vereinten Nationen hatten 1960 die 20 % der Weltbevölkerung in den reichsten Ländern dreißig Mal höhere Einnahmen als die ärmsten Nationen. 1997 betrug dieses Verhältnis bereits das 74-fache.
Gemäß zwischen 1987 und 1998 getätigten Studien der UN-Welternährungsorganisation FAO leiden 2 von 5 Kindern in der unterentwickelten Welt an Wachstumsstörungen und eines von drei Kindern hat nicht das seinem Alter entsprechende Gewicht.
Es gibt 1,3 Milliarden Arme in der Dritten Welt, das bedeutet, daß dort einer von drei Einwohnern in Armut lebt. Die Weltbank prognostiziert in ihrem letzten Bericht über die Armut, daß beim Eintritt in das neue Jahrtausend die Zahl von 1,5 Milliarden Personen in absoluter Armut erreicht werden könnte.
Die reichsten 25 % der Weltbevölkerung konsumieren 45 % des Fleisches und des Fisches, während die ärmsten 25 % nur 5 % davon zu sich nehmen.
In Afrika südlich der Sahara beträgt die Kindersterblichkeitsrate 107 pro eintausend Lebendgeborenen bis zum Erreichen des ersten Lebensjahres und 173 pro 1 000 vor dem fünften Lebensjahr. Im südlichen Asien betragen die entsprechenden Anteile 76 und 114 pro 1 000. Im Falle Lateinamerikas gibt es laut UNICEF eine Kindersterblichkeit bis zum fünften Lebensjahr von 39 pro 1 000.
Mehr als 800 Millionen Erwachsene sind weiterhin Analphabeten.
Mehr als 130 Millionen Kinder im Schulalter wachsen auf, ohne Zugang zur Grundschulbildung zu haben.
Es ist real und nicht zu verschleiern, daß heutzutage mehr als 800 Millionen Menschen an chronischem Hunger leiden und gleichzeitig keinen Zugang zu Gesundheitsdiensten haben, weshalb geschätzt wird, daß in der Dritten Welt 507 Millionen Menschen das vierzigste Lebensjahr nicht überschreiten. Südlich der Sahara sterben 30 % der Bevölkerung vor dem vierzigsten Lebensjahr.
1981 erwähnte man kaum die Klimaveränderung und das Wort AIDS hatten erst sehr wenige gerade zum ersten Mal gehört. Zwei furchterregende Bedrohungen, die sich zu den bereits erwähnten Katastrophen gesellen.
1981 betrug die Weltbevölkerung bereits 4 Milliarden, 75 % davon lebten in den Ländern der Dritten Welt. Im Jahr 2001 sind wir bereits mehr als 6 Milliarden Einwohner des Planeten. In nur 20 Jahren stieg die Weltbevölkerung um 1,7 Milliarden Menschen, mehr als im gesamten Zeitraum vom Entstehen der menschlichen Spezies bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts.
Zusammenfassend kann man sagen, daß auf diese Weise die Proportion des weltweiten Einkommens derjenigen Länder, die heute die Dritte Welt darstellen, zurückgegangen ist. Vor anderthalb Jahrhunderten betrug sie 56 % und heute nur noch 15 %, was in Wirklichkeit eine besondere Ausdrucksform dessen darstellt, was für die Dritte Welt und die überwiegende Mehrheit der Menschheit der Kolonialismus, der Kapitalismus und der Imperialismus mit ihren Krisen, ihren Chaoszuständen, ihrer Anarchie auf wirtschaftlichem Gebiet und ihren egoistischen und unmenschlichen Wertsystemen darstellen.
Unser Land, unsere arme Nation, wurde nach vier Jahrhunderten spanischer Kolonialherrschaft und 57 Jahren als Kolonie der Vereinigten Staaten einer brutalen Wirtschaftsblockade ausgesetzt, und zwar seit dem Augenblick, in dem wir zum ersten Mal in der Geschichte unsere doppelte Freiheit erlangten, denn wir befreiten uns zur gleichen Zeit von der Tyrannei und dem Imperium.
Dieses kleine und blockierte Land der Dritten Welt, gegen das alle Ressourcen der Vereinigten Staaten im Bereich der Subversion, Destabilisierung, Sabotage und piratenähnlichen Angriffe angewandt wurden, genauso wie Hunderte von Plänen zur Ermordung von Führern der Revolution, schmutziger Krieg, Wirtschaftskrieg, biologischer Krieg, militärische Invasion unter Verwendung von Personal, das von den USA rekrutiert, bezahlt, ausgerüstet und von US-amerikanischen Marineeinheiten eskortiert wurde, das Land, das schließlich bis zum Risiko der Vernichtung in einem Atomkrieg getrieben wurde, konnte ehrenvoll allen Angriffen der größten Supermacht der Geschichte widerstehen, eines aufgrund seiner politischen, wirtschaftlichen, militärischen und technologischen Macht tausendfachen Roms.
Der unerbittliche Wirtschaftskrieg und die Blockade dauern bereits zweiundvierzig Jahre. Zusätzlich dazu haben wir zehn Jahre Sonderperiode ausgehalten, als wir nach dem Zusammenbruch des sozialistischen Blocks und der Desintegration der Sowjetunion ohne Märkte und Versorgungsquellen dastanden, unter Umständen, als die Vereinigten Staaten die Blockade mit dem Torricelli-Gesetz und dem Helms-Gesetz verschärften. Kein Land sah sich jemals einer ähnlichen Herausforderung ausgesetzt.
Viele glaubten, daß wir vulgäre Sateliten einer Großmacht gewesen seien. Man erwartete das Ende der Revolution innerhalb von Wochen oder maximal innerhalb von Monaten. Doch der Satelit bewies sein eigenes Licht und seine außerordentliche Kraft als eine kleine Sonne von wahrer Freiheit, Souveränität, Patriotismus, sozialer Gerechtigkeit, realer Chancengleichheit, Solidarität innerhalb und außerhalb seiner Grenzen und unumstürzlichen ethischen und menschlichen Prinzipien.
Dienen die Macht, das enorme Ansehen, die Kraft und die Einheit des Volkes, die von der Revolution erreicht wurden, etwa dazu, um Eitelkeiten, Machtambitionen oder das Streben nach materiellen Gütern zu befriedigen? Nein, sie würden dazu dienen, um heldenhaft dem Ansturm des Imperiums in einem der gefährlichsten und schwierigsten Augenblicke der Geschichte unseres Vaterlandes zu widerstehen.
Niemand verfolge die Absicht, uns Lektionen in Geschichte oder Politik zu geben, indem er die kubanischen Führer wie Vorschulkinder behandelt. Es ist sogar möglich, daß die kubanischen Vorschulkinder von diesem Bereich mehr verstehen als einige bekannte Politiker.
Es gibt ein unter schrecklichen Umständen geschaffenes soziales Werk, das überwältigend, unanfechtbar und unübertroffen ist. Innerhalb eines Jahres wurde das Analphabetentum ausgemerzt, das fast ein Drittel der Bevölkerung zwischen 15 und 60 Jahren umfaßte. Gleichzeitig schuf man Tausende von Schulräumen an den entlegendsten Orten und in fast unzugänglichen Regionen. Ebenfalls wurden ärztliche Betreuungsdienste auf dem Land und in den Städten aufgebaut, obwohl die Vereinigten Staaten mit der Gewährung von Visa und dem Versprechen eines besseren materiellen Lebens die Zahl von 6 000 Ärzten, über die wir verfügten, um die Hälfte reduzierte, und die Anzahl der Medizindozenten um mehr als die Hälfte. Man errichtete Tausende von Schulen und Lehrer für die Grund- und höhere Mittelstufe wurden ausgebildet; man schuf Gymnasien, polytechnische Institute, Ausbildungszentren für Lehrer und Dozenten in den Bereichen Musik, Tanz, Kunst, Körperkultur, Sport und anderen. Die Hochschuleinrichtungen im ganzen Land, von denen es vor der Revolution nur drei gab, wurden dutzendfach vermehrt, darunter 21 Fakultäten für Medizin – mit der Lateinamerikanischen Hochschule für Medizin sind es sogar 22 - und 15 Pädagogische Hochschulen.
In weniger als dreißig Jahren wurde Kuba zum ersten Land in Lateinamerika und der Dritten Welt, das eine Kindersterblichkeit von weniger als 10 pro 1 000 Lebendgeborenen im ersten Lebensjahr erreichte, und dies inmitten der Sonderperiode mit einem Wert von 6,4 und einer Lebenserwartung von 75 Jahren. Kuba weitete in diesem Zeitraum die kostenlosen medizinischen Dienste auf alle Bürger aus, erhöhte die durchschnittliche Schulbildung auf 9 Jahre, graduierte mehr als 700 000 Universitätsabsolventen, entwickelte eine mächtige Kunst- und Kulturbewegung, nahm einen der ersten zehn Ränge in den olympischen Medaillenspiegeln ein und erreichte hierbei pro Kopf mehr Goldmedaillen als irgendein anderes Land auf der Welt. Bei regionalen Wettbewerben und internationalen Sportveranstaltungen hat das Land Tausende von Medaillen errungen und hinter den Vereinigten Staaten den zweiten Platz in dieser Hemisphäre eingenommen. Die kubanischen Kinder erreichen Spitzenplätze bei Wettbewerben in Mathematik und anderen wissenschaftlichen Disziplinen.
Laut Forschungen der UNESCO sind die Kenntnisse unser Grundschüler fast doppelt so groß wie die durchschnittlichen Kenntnisse der Kinder in den restlichen Ländern Lateinamerikas. Heute nimmt unser Volk unter allen Ländern der Welt – entwickelte oder unterentwickelte - den ersten Rang ein in bezug auf die Pro Kopf-Anzahl von Dozenten und Lehrern, Ärzten und hochqualifizierten Ausbildern in Körperkultur und Sport, drei Sparten, die von entscheidender Bedeutung sind für das Wohlergehen und die gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung eines jeden Landes.
Dies zeigt sich in mehr als 250 000 Lehrern, 67 500 Ärzten und 34 000 Dozenten und Technikern in Körperkultur und Sport.
Heute teilen wir dieses immense Humankapital mit anderen Bruderländern der Dritten Welt, ohne einen einzigen Cent dafür zu verlangen (Beifall). Unsere Mitarbeiter besitzen nicht nur eine tiefgehende technische und wissenschaftliche Fähigkeit, sondern auch das Wichtigste, nämlich eine außergewöhnliche menschliche Solidarität und einen unübertrefflichen Opfergeist.
Hunderttausende von Landsleuten nahmen an internationalistischen Einsätzen in vielen Ländern der Dritten Welt teil, besonders in Afrika, und zwar als technisches Personal und speziell als Kämpfer gegen den Kolonialismus und die rassistische und faschistische Apartheid.
Sie können sich fragen, warum ich mich bei der Aufzählung dieser Geschehnisse aufhalte.
Erstens: Weil ich mich frage, ob dies der Grund ist, warum man uns Jahr für Jahr in Genf verurteilen will.
Zweitens: Ob man uns wohl aus diesem Grund anfeindet, blockiert und uns einen Wirtschaftskrieg aufzwingt, der bereits 42 Jahre andauert.
Drittens: Ob man aus diesem Grund die Kubanische Revolution zerstören will.
Ich muß noch etwas anfügen: In 42 Jahren Revolution wurde niemals Tränengas gegen die Bevölkerung eingesetzt, noch kennt man hier das Spektakel mit Polizisten in Taucheranzügen, mit Pferden oder Fahrzeugen zur Auflösung von Aufruhr, die das Volk unterdrücken, etwas, was sehr häufig in Europa und den Vereinigten Staaten vorkommt. In unserem Land gab es nie Todesschwadrone oder auch nur einen einzigen Verschwundenen, einen einzigen politischen Mord, einen einzigen Gefolterten, und das trotz der Tausenden von infamen Verleumdungen, die von einem gescheiterten und skrupellosen Imperium verbreitet werden, das das Erscheinungsbild und das Vorbild Kubas von der Erde wegfegen möchte.
Man gehe durch unser Land, frage die Bevölkerung, suche einen einzigen Beweis. Wenn jemand nachweist, daß die Revolutionsregierung eine Tat dieser Art angeordnet oder toleriert hat, trete ich niemals mehr auf einer öffentlichen Tribüne auf.
Ziemliche Dummköpfe sind diejenigen, die glauben, daß man dieses Volk mit Gewalt regieren kann oder mit jeglicher anderen Form als der des Konsenses, der aus dem geschaffenen Werk, der hohen politischen Kultur unserer Bürger und der beneidenswerten Beziehung der Führung zu den Massen erwächst. Bei den Wahlen zu den Parlamenten auf den verschiedenen Ebenen nehmen mehr als 95 % der Wahlberechtigten auf bewußte und enthusiastische Weise teil.
Die Ethik und Politik des Imperialismus unterscheidet sich davon erheblich.
Als die Kubaner im Süden Angolas kämpften und im Jahr 1988 die Entscheidungsschlacht von Cuito Cuanavale gegen die südafrikanischen Truppen schlugen, und als im Südwesten dieses Landes 40 Tausend kubanische Soldaten und 30 Tausend Angolaner bis zur Grenze von Namibia vorrückten, besaßen die Rassisten sieben Atombomben ähnlich denen, die auf Hiroshima und Nagasaki geworfen wurden. Die NATO wußte davon, die USA wußten davon, und sie sagten kein einziges Wort, in der Hoffnung, daß die Atombomben auf die kubanisch-angolanischen Kräfte geworfen würden.
In den 15 langen Jahren, in denen wir im südlichen Afrika weilten und auf dem Wachposten waren gegen die Kräfte der Apartheid oder im Kampf gegen sie, unterhielten die wichtigsten kapitalistischen Länder wichtige Investitionen in Südafrika und hatten Jahr für Jahr im Handel mit dem Rassistenregime einen milliardenschweren Austausch. Die US-Investitionen in Südafrika beliefen sich zu jener Zeit auf 3 Milliarden Dollar, der jährliche Handel auf 6 Milliarden Dollar und die diesem Land gewährten Kredite betrugen weitere 3 Milliarden Dollar.
Es ist wohlbekannt, daß die Vereinigten Staaten ein militärischer Verbündeter Südafrikas waren – kann man das etwa vergessen? – und über das Rassistenregime der UNITA beträchtliche Summen an Waffenlieferungen zukommen ließen, was tragbare Luftabwehrraketen und Millionen von Antipersonen-Minen einschloß, die auf dem gesamten angolanischen Territorium eingegraben wurden. Diese Organisation metzelte ganze Ortschaften nieder und tötete Hunderttausende von Zivilisten, einschließlich Frauen und Kinder. Ich übertreibe nicht im Geringsten.
Nachdem der ehrenvolle kubanische internationalistische Einsatz abgeschlossen wurde – mit einer Vereinbarung, die zur Anwendung der UN-Resolution 435 und der Unabhängigkeit Namibias führte, wobei wir uns rigoros an die von den Teilnehmerländern eingegangen vertraglichen Verpflichtungen hielten -, zogen sich unsere Streitkräfte zurück, ohne etwas anderes aus Afrika mitzunehmen als die sterblichen Überreste der gefallenen Genossen, sie besaßen dort keinen Quadratmeter Land – wie ich vor einigen Tagen sagte – oder auch nur eine Schraube irgendeiner Fabrik. Kein westliches Land hatte dort auch nur einen einzigen Blutstropfen vergossen. Ein Land allein, klein und weit entfernt, 10 000 Kilometer von Afrika, hatte dies getan: Kuba. (Beifall)
Zu alldem, was ich am Beginn meiner Rede über die dramatische wirtschaftliche und soziale Situation der Völker der Dritten Welt sagte, gesellen sich die arroganten Schritte der neuen Administration der Vereinigten Staaten auf der internationalen Bühne, die zu schwerwiegenden Komplikationen in einem Moment führen können, in dem die Weltwirtschaft, und zu allererst die US-Wirtschaft, großen Risiken von Stagnation, Rezession und sogar Krise ausgesetzt sind, deren Auswirkungen man bereits an allen Ecken und Enden spürt, beim Rückgang des Exportvolumens, den Preisen für Grundprodukte, den niedrigen Kursen der Aktien an den Börsen, großflächigen Entlassungen und überall anzutreffenden Ankündigungen von neuen Entlassungen.
Die schwerwiegendsten Geschehnisse in wenigen Wochen waren folgende:
Erstens: Die Entscheidung zur Schaffung eines nuklearen Abwehrschirmes, womit einseitig die vertraglichen Verpflichtungen des ABM-Vertrages gebrochen werden, was unvermeidlich zu einer Wettrüstung führt.
Zweitens: Die Entscheidung, das Veto einzulegen gegen das Resolutionsvorhaben, das die Einsetzung einer Beobachtertruppe zum Schutz des palästinensischen Volkes vorschlug (Beifall) und von China, Rußland und weiteren 7 Mitgliedern des UN-Sicherheitsrates unterstützt wurde, bei 4 Enthaltungen, darunter zwei weitere ständige Mitglieder des Sicherheitsrates.
Seit Mai 1990 haben die USA fünfmal ihr Veto eingelegt, viermal davon im Zusammenhang mit dem palästinensisch-israelischen Konflikt. Das letzte Veto der Vereinigten Staaten datiert auf den 21. März 1997 – zur Unterstützung der Interessen Israels und zum Nachteil der Palästinenser -, bei einer Resolution, die Israel aufforderte, den Bau einer Siedlung in Ost-Jerusalem zu stoppen.
Seit dem Jahr 1972 haben die USA 23 Mal bei Resolutionen über Initiativen zur Lösung des Palästina-Problems ihr Veto eingelegt.
Die komplizierte Situation im Nahen Osten verschärft sich durch das kürzliche Veto der Vereinigten Staaten, zu einem Zeitpunkt, als gerade eine rechtsextreme Regierung in Israel an die Macht gekommen ist.
Drittens: Die ebenfalls einseitige Entscheidung zum Bruch der Verpflichtungen, die bei der Dritten Konferenz der Teilnehmerstaaten an der UN-Konvention über Klimaveränderung eingegangen wurden, die Ende 1997 in Kyoto stattfand und bei der 34 Industrieländer vereinbarten, den Ausstoß von Treibhausgasen bis zum Jahr 2012 um 5,2 % zu reduzieren, was die Menschheit verzweifelt benötigt. Die USA hatten sich verpflichtet, die Treibhausgase um 7 % zu reduzieren. Es war ein harter Schlag für die Weltöffentlichkeit und im Besonderen für die europäischen Länder, die den größten Beitrag bei dieser Konvention zur Reduzierung der genannten Gase leisteten.
Viertens: Grobe und erniedrigende Erklärungen gegenüber Rußland und China, wobei dabei eine für den Kalten Krieg typische Sprache verwendet wurde. Dies ist der Ausdruck einer Mentalität, die man deutlich bei vielen Mitgliedern des Teams wahrnehmen kann, das den jetzigen US-Präsidenten umgibt und berät.
Fünftens: Eine spürbare, nicht zu verschleiernde Geringschätzung gegenüber Lateinamerika, indem die neue Administration als Unterstützenden Unterstaatssekretär für Lateinamerikanische Angelegenheiten eine schmutzige Person mit faschistischer Mentalität vorschlägt, die als Sondergesandter für öffentliche Diplomatie des Außenministers während der Reagan-Administration bekannt wurde durch die gemeinsame Teilnahme mit Oliver North an dem Skandal anläßlich des Verkaufs von Waffen zum Erhalt von Finanzmitteln, um den schmutzigen Krieg gegen die sandinistische Regierung in Nicaragua zu bestreiten, was zu jenem Zeitpunkt wegen Vereinbarungen des US-Kongresses verboten war. Er veröffentlichte Dokumente und von ihm unterzeichnete Erklärungen, wobei er die Namen von konterrevolutionären nicaraguanischen Anführern verwendete – von denen einige weder lesen noch schreiben konnten -, verletzte Gesetze und legte ein totales Fehlen von Ethik an den Tag. Nicht wenige US-amerikanische Presseorgane haben harte Kritik geübt und viele lateinamerikanische Regierungen sind alles andere als glücklich.
Auf alle Fälle umreißen diese Schritte mit aller Klarheit die Wesensmerkmale und den Charakter des neuen Besetzers des Präsidentensessels der Vereinigten Staaten.
Kuba erstaunt nichts, da es die engen Verbindungen des Herrn Bush mit der Cuban-American National Foundation und dessen Verpflichtungen dieser Organisation gegenüber kennt, einer terroristischen Mafia – ich wiederhole, terroristischen Mafia -, die das Anbringen von Bomben in Hotels in Havanna finanzierte, von denen einige explodierten, mit dem Ziel, die Tourismusindustrie in Kuba zu zerstören. Diese Stiftung organisierte den Plan eines Attentats in Isla Margarita auf denjenigen, der hier zu Ihnen spricht. Die Vollstrecker des Plans wurden durch einen Zufall von der US-Küstenwache verhaftet – vielleicht im Glauben, sie hätten Drogen bei sich -, als sie mit ihrem Boot an der Küste von Puerto Rico mit Kurs auf Isla Margarita fuhren. Die Verhafteten selbst enthüllten ihre Ziele und die Organisatoren des Plans. Trotz unanfechtbaren Urteil- und Beweiselementen wurden sie freigesprochen.
Die letzte große Untat der Cuban-American National Foundation war der gegen meine bescheidene Person gerichtete Attentatsversuch, der anläßlich des im vergangenen November in Panama stattgefundenen Iberoamerikanischen Gipfeltreffens organisiert wurde, wofür sie den bekanntesten Terroristen der Hemisphäre benutzten, den Autor der mitten im Flug durchgeführten Sprengung eines kubanischen Flugzeugs am 6. Oktober 1976, bei der 73 Menschen starben, darunter die gesamte Junioren-Nationalmannschaft im Fechten, die aus Venezuela kam, wo sie bei einem Wetttkampf gerade alle Goldmedaillen gewonnen hatte. Dieses Mal schleuste er von El Salvador aus gewaltige Sprengkörper ein, um sie in der Universität von Panama zur Explosion zu bringen, wo ich mich mit eintausend Studenten treffen sollte. Die rechtzeitige Denunzierung dieses Planes führte zur Verhaftung des Anführers und weiterer drei Terroristen kubanischer Herkunft, Mitglieder der Mafia aus Miami, mit einer blutigen Vorgeschichte im Dienst der US-amerikanischen Geheimdienstorgane. Die US-Behörden und die Regierung dieses Landes wissen haargenau von der Wahrhaftigkeit dessen, was ich hier darlege.
Bereits am 3. Januar dieses Jahres legte der Kongreßabgeordnete Bob Barr dem Ausschuß für Auswärtige Beziehungen des Repräsentantenhauses einen Gesetzentwurf vor, dessen Ziel darin besteht, eine von der Ford-Administration am 18. Februar 1976 erlassene Exekutivanordnung bezüglich der Geheimdienstaktivitäten der USA im Ausland zu annulieren. Im Abschnitt 5, Absatz g) dieser Anordnung heißt es, daß kein Angestellter der US-Regierung an politischen Morden teilnehmen oder sich an Verschwörungen mit diesem Ziel beteiligen darf.
Wer ist Bob Barr? Ein republikanischer Kongreßabgeordneter für den Bundesstaat Georgia. Er arbeitete mit der CIA zuasammen und wurde 1986 von Präsident Reagan zum US-Staatsanwalt für den Norddistrikt von Georgia ernannt. Barr ist Mitglied auf Lebenszeit der National Rifle Association und sitzt in deren Vorstand. Er wurde vom US-amerikanischen Rat für Schießsport als Kongreßführer des Jahres geeehrt und von der Bürgerkommission für das Recht auf Besitz und das Tragen von Waffen (was den Kindern dazu dient, sich untereinander in der Schule totzuschießen, neben dem Ansporn zur Gewalt, den sie permanent durch die Massenmedien vermittelt bekommen) als Kongreßabgeordneter des Jahres für seinen Einsatz zugunsten des Rechts zum Waffentragen. Zudem wurde er von der Kommission für Konservative Politische Aktion zum Kongreßneuling des Jahres erklärt.
Fieberhaft arbeiten die terroristische Mafia aus Miami und die extreme Rechte der Vereinigten Staaten am Ausfeilen von Plänen, Gesetzentwürfen und aggressiven Maßnahmen gegen Kuba. Unter diesen Vorhaben befinden sich, was offen erklärt wird, direkte Beziehungen mit der sogenannten Opposition und die Bewilligung von Millionensummen für die Subversion und Destabilisierung unseres Landes. Niemand sollte sich täuschen lassen. Kuba wird als Antwort die entsprechenden Maßnahmen treffen.
Die schmutzigen Hände der US-Regierung haben nicht davon abgelassen, alles Mögliche zu tun, diese Konferenz zu provozieren, zu diskreditieren und sogar für ihre perfiden Pläne zu benutzen. Die Botschaften der Vereinigten Staaten schickten Briefe an eine nicht präzisierte Zahl von Palamentariern, die an dieser Konferenz teilnehmen würden. Befreundete Hände ließen sie unseren Behörden zukommen.
Einer dieser Briefe lautet wörtlich wie folgt:
„Ihr Besuch in Kuba anläßlich des Treffens der Interparlamentarischen Union (IPU) bietet eine einzigartige Gelegenheit, damit Sie Ihre Solidarität mit der Demokratie und den Menschenrechtsaktivisten in Kuba zum Ausdruck bringen.
Wie Sie wissen, wurde Ihr tschechischer Kollege, der Parlamentsabgeordnete Ivan Pilip, im Februar wegen des ‚Delikts‘ des Zusammentreffens mit demokratischen Aktivisten verhaftet und drei Wochen lang von der kubanischen Geheimpolizei festgehalten.
Nachdem sich Syg Johnsson (IPU) und der Präsident der Menschenrechtskommission der IPU, Letelier, eingeschaltet hatten, entschieden die Kubaner, Pilip und seinen Kollegen Jan Bubenik freizulassen.
Die IPU steht deswegen in einer direkten Verbindung mit der Situation der Menschenrechte auf der Insel und hat nun die Gelegenheit, eine deutliche und prinzipienfeste Botschaft auszusenden, die die Unterstützung der IPU und der Parlamente, zu denen Sie gehören, für die Menschenrechte und für Kuba widerspiegelt, indem Sie sich mit den Aktivisten treffen.
Während des Iberoamerikanischen Gipfeltreffens in Havanna im Jahr 1999 setzen sich einige lateinamerikanische Führungspersönlichkeiten auf die gleiche Weise mit den kubanischen Aktivisten in Verbindung. Dies sendete ein deutliches Signal aus und diente den kubanischen Aktivisten als Ansporn.
Wir wissen, daß international angesehene Aktivisten von hoher Qualität begierig darauf sind, sich mit ausländischen Parlamentariern zu treffen, um ihre Ansichten über die Perspektiven einer demokratischen und wirtschaftlichen Öffnung kundzutun."
In einer anderen der abgeschickten Mitteilungen heißt es unter anderem:
„Obgleich viele die Hoffnung hatten, daß sich die Situation der Menschenrechte in Kuba nach dem Papstbesuch im Januar 1998 verbessern würde, hat sich die Situation in Wirklichkeit verschlechtert.
Diese Verschlechterung nahm in den letzten sechs Monaten zu. Allein seit Dezember wurden Hunderte von Aktivisten verhaftet.
(...)
Hunderte bleiben hinter Gittern, die Mehrheit wegen harmlosen Aktionen wie die Weitergabe von Exemplaren der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte.
Kürzlich strich Kuba den Besuch des Staatsministers im Auswärtigen Amt der Bundesrepublik Deutschland, Vollmer, da er den Vorschlag wagte, bei seiner Reise die Fragen der Menschenrechte anzusprechen.
Kuba griff im Februar auf harte Weise Argentinien an, nachdem eine argentinische Zeitung berichtet hatte, daß das südamerikanische Land die Kuba-Resolution in der Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen (UNCHR) unterstützen würde.
Zu Anfang dieses Jahres, im Januar, wurden Ivan Pilip, Mitglied des tschechischen Parlaments, und Jan Bubenik, ehemaliger Parlamentsabgeordneter, einfach deswegen mehr als drei Wochen lang festgehalten, weil sie sich mit kubanischen Aktivisten und unabhängigen Journalisten trafen.
Kein Abgeordneter des US-Kongresses hat im Zeitraum von zehn Jahren an einem Treffen der IPU teigenommen.
1998 entschied der US-Kongreß, die Mitgliedschaft in der IPU aufzugeben, falls der Mitgliedsbeitrag der USA zu dieser Organisation nicht reduziert würde.
Der Mitgliedsbeitrag wurde nicht reduziert, so daß der Generalsekretär der IPU im Oktober 2000 offiziell über die Absicht der USA unterrichtet wurde, sich aus der IPU zurückzuziehen, was unmittelbar darauf geschah."
Nach der Lektüre dieser Dokumente können bei niemandem Zweifel darüber bleiben, wer Verschwörungen unternimmt, wer diese organisiert, wer lügt, wer Intrigen schmiedet, wer bezahlt und wer die Führung innehat. (AP)
Man benötigt keine besondere Anstrengung, um zu verstehen, bis zu welchem Punkt die US-Regierung durch Präpotenz, Frustration und unaufhörliches Scheitern zur Respektlosigkeit gegenüber den Institutionen und zur Provokation und Einmischung in internationale Organisationen und die inneren Angelegenheiten eines jeglichen Landes getrieben wird.
Seit vier Jahrzehnten rekrutieren sie Söldner. Heute ist unser Volk vereinter und die Revolution stärker als je zuvor. An ihr zerschellen alle Intrigen, Pläne, Verschwörungen und Verbrechen, die sie gegen unser Vaterland begehen. Wir werden ihre Manöver enthüllen und ihre Niedertracht und Lügen anprangern. Ebensowenig zögern wir, ihre Komplizen anzuklagen und aufzudecken. Keiner entgeht der gerechtesten und vernichtendsten Kritik, wie erhaben diese Person auch sei; kein wirtschaftliches Interesse und keine Drohung mit Repressalien werden die Würde und den Mut unseres Volkes bremsen. Deshalb zögern wir nicht zu bekräftigen, daß das Verhalten derjenigen von widerlichem Zynismus ist, die das naive und lächerliche Manöver verfechten oder sich ihm anhängen, das darin besteht, die Verurteilung der Blockade als Feigenblättchen mit der scheinheiligen Absicht zu benutzen, die Niederträchtigkeit einer Anklage Kubas wegen angeblicher Menschenrechtsverletzungen zu kompensieren.
Nichts kann jemals die Feigheit und die Lüge rechtfertigen.
Kuba verachtet diejenigen, die so handeln, und uns interessieren nicht die Stimmen gegen die Blockade von denjenigen, die auf zynische Weise die Argumente unterstützen, mit denen das Imperium versucht, seine Verbrechen zu rechtfertigen.
Nichts konnte und kann jemals die Würde, Ethik und Heldenhaftigkeit eines Volkes besiegen, das bereits eine untilgbare Seite in der Geschichte dieser Epoche geschrieben hat. (Beifall)
Ich bedanke mich für die noble Begleitung von so vielen und so würdigen Parlamentariern, die uns mit ihrer Anwesenheit eine Ehre erwiesen und uns mit ihrer Solidarität anspornten.
Ich bitte Sie um Entschuldigung für die in Anspruch genommene Zeit.
Ich bin Ihnen auf ewig zu Dank verpflichtet.
Ich wünsche dieser ausgezeichneten Konferenz allen Erfolg, die sie verdient.
Immer bis zum Sieg!
Vielen Dank!
(Ovation)