Artikel

Der Bruder Obama

Datum: 

27/03/2016

Quelle: 

Cuba.cu

Autor: 

 


 
Die Könige von Spanien brachten uns die Konquistatoren und die Herren, deren Spuren in den kreisförmigen Claims, die den Goldsuchern für ihre missbräuchliche und beschämende  Form der   Ausbeutung im Sand der Flüsse zugewiesen wurden, von der Luft aus noch immer an vielen Stellen des Landes  gesehen werden können.
 
Der Tourismus von heute besteht größtenteils darin, die Schönheiten der Landschaft und die exquisiten Früchte unserer Meere anzupreisen, und daran ist immer das Privatkapital der ausländischen Großunternehmen beteiligt, deren Gewinne jeweils Milliarden von Dollar erreichen müssen, um überhaupt der Rede wert zu sein.
 
Da ich mich gezwungen sah, das Thema anzusprechen, muss ich vor allem für die Jugendlichen hinzufügen, dass nur Wenige sich der Wichtigkeit dieses Umstandes in diesem einzigartigem Moment der menschlichen Geschichte bewusst sind
 
Ich will nicht sagen, dass es schon zu spät ist, aber ich zögere nicht zu sagen, dass wir nicht ausreichend informiert sind, weder Sie noch wir, dass wir weder das Wissen noch das Bewusstsein haben, das nötig wäre, um den gegenwärtigen Herausforderungen zu begegnen. Zuerst sei zu beachten, dass unser Leben nur ein Sekundenbruchteil der Geschichte ausmacht, und wir außerdem den Lebensbedürfnissen, die alle Menschen haben, nachkommen müssen.  Ein Merkmal des Menschen ist die Tendenz, seine Rolle überzubewerten, was andererseits im Gegensatz zu der außergewöhnlichen Zahl von Menschen steht, die die höchsten Träume verkörpern
 
Jedoch ist niemand von sich aus gut oder schlecht. Keiner von uns ist für die Rolle geschaffen, die er in der revolutionären Gesellschaft einnehmen sollte. Teilweise hatten wir Kubaner das Privileg, auf das Beispiel José Martís zurückgreifen zu können. Ich frage mich sogar, ob er wirklich in Dos Ríos sterben musste, als er sagte „Für mich ist es Zeit“ und gegen die spanischen Streitkräfte vorpreschte, die, im Schützengraben verschanzt, eine solide Feuerlinie bildeten. Er wollte nicht in die Vereinigten Staaten zurückkehren und es gab niemanden, der ihn zur Rückkehr hätte veranlassen können. Jemand hat einige Seiten aus seinem Tagebuch herausgerissen. Wer hat diese perfide Schuld auf sich geladen? Es war zweifellos das Werk eines skrupellosen Intriganten. Man weiß, dass es Meinungsunterschiede zwischen den Kommandeuren gab, aber von Disziplinlosigkeit ist nichts bekannt. „Wer versucht, sich Kuba anzueignen, erntet den Staub seiner in Blut getränkten Erde, falls er nicht im Kampf umkommt“, erklärte der glorreiche schwarze Anführer Antonio Maceo. Man weiß auch, dass Maximo Gómez der disziplinierteste und bescheidenste militärische Führer unserer Geschichte war.
 
Wie könnte man, aus einem anderen Blickwinkel betrachtet, nicht die Empörung von Bonifacio Byrne bestaunen, der von einem entfernten Schiff aus, das ihn nach Kuba zurückbrachte, eine andere Fahne neben der mit dem einsamen Stern wahrnahm und sagte: „Meine Fahne ist jene, die noch nie eine Söldnerfahne gewesen ist ...“, um dann sogleich einen der schönsten Sätze, die mir jemals zu Gehör gekommen sind, hinzuzufügen: „Wenn meine Fahne irgendwann Gefahr laufen sollte, in Fetzen zu gehen ... werden unsere Toten noch ihre Arme erheben und sie zu verteidigen wissen! ...“ Ich werde auch nicht die zündenden Worte vergessen, die Camilo Cienfuegos in jener Nacht aussprach, als Bazookas und Maschinengewehre US-amerikanischen Ursprungs in den Händen von Konterrevolutionären auf die Terrasse gerichtet waren, auf der wir uns befanden. Obama wurde im August 1961 geboren, wie er selber sagte. Über ein halbes Jahrhundert ist seit jenem Moment vergangen.
 
Lasst uns trotzdem einmal betrachten, wie unser  berühmter  Gast heute denkt:
 
„Ich bin hierhergekommen, um die letzten Spuren des kalten Krieges in den Amerikas hinter mir zu lassen. Ich bin hierhergekommen, um dem kubanischen Volk in Freundschaft meine Hand auszustrecken.“
 
Darauf folgte sofort eine Flut von Konzepten, die für die Mehrheit von uns völlig neu waren:
 
„Wir leben beide in einer von den Europäern kolonisierten neuen Welt“, fuhr der Präsident der Vereinigten Staaten fort. „Kuba, wie die Vereinigten Staaten, wurde von aus Afrika geholten Sklaven gegründet. Genau wie die Vereinigten Staaten hat Kuba ein Erbe von Sklaven und Sklavenhaltern.“
 
Die Ureinwohner kommen in der Vorstellung Obamas nicht vor. Er sagt auch nicht, dass die rassische Diskriminierung von der Revolution beseitigt wurde, dass die Rente und der Lohn aller Kubaner von dieser beschlossen wurde, als Obama gerade 10 Jahre alt war. Die verhasste und rassistische bürgerliche Gewohnheit, Handlanger zu beauftragen, die schwarzen Landleute aus den Erholungszentren zu werfen, wurde von der Revolution abgeschafft. Die Revolution geht auch wegen der Schlachten in die Geschichte ein, die sie in Angola gegen die Apartheid schlug, wobei die Präsenz der Nuklearwaffen auf einem Kontinent mit mehr als einer Milliarde Bewohnern ein Ende gesetzt wurde.  Das  war nicht das eigentliche Ziel unserer Solidarität, sondern Angola, Mosambik, Guinea Bissau und anderen unter der faschistischen Kolonialherrschaft Portugals stehenden Völkern zu helfen.
 
1961, kaum ein Jahr und drei Monate nach dem Sieg der Revolution, wurde eine mit Kanonen, gepanzerter Infanterie und Flugzeugen ausgerüstete Söldnerarmee ausgebildet und startete, begleitet von Kriegsschiffen und Flugzeugträgern der Vereinigten Staaten, einen Überraschungsangriff auf unser Land. Nichts kann diese heimtückische Attacke  rechtfertigen, die  unser Land Hunderte von Toten und Verletzten kostete. Nirgendwo konnte man seitens der Pro-Yankee-Angriffsbrigade feststellen, dass auch nur ein Söldner evakuiert worden wäre. Kampfflugzeuge der USA wurden vor den Vereinten Nationen so dargestellt, als ob es von Aufständischen geflogene kubanische Flugzeuge wären.
 
Die militärische Erfahrung und Macht dieses Landes ist hinreichend bekannt. In Afrika haben sie auch geglaubt, dass das revolutionäre Kuba leicht außer Gefecht zu setzen sei. Der Angriff motorisierten Brigaden des rassistischen Südafrika auf den Süden Angolas brachte sie bis in die Nähe Luandas, der Hauptstadt des Landes. Hier begann ein Kampf, der sich praktisch 15 Jahre hinzog. Ich würde das nicht einmal erwähnen, wenn ich nicht die elementare Pflicht hätte, auf die Rede Obamas im Gran Teatro de La Habana Alicia Alonso zu reagieren.
 
Ich werde auch nicht versuchen ins Detail zu gehen, sondern nur betonen, dass man  In Angola eine ehrenvolle Seite im Kampf um die Befreiung des Menschen geschrieben hat. In gewisser Weise wünschte ich, dass Obama sich korrekt verhalten würde. Seine bescheidene Herkunft und seine natürliche Intelligenz sind offensichtlich. Mandela war sein Leben lang im Gefängnis und verwandelte sich in einen Giganten des Kampfes um die Würde des Menschen. Einmal geriet mir ein Buch in die Hände, in dem Teile des Lebens von Mandela beschrieben wurden und – welche Überraschung! – es hatte ein Vorwort von  Barack Obama. Ich habe es schnell durchgeblättert. Es war unglaublich, in welch kleiner Schrift Mandela seine genauen Angaben macht. Es lohnt sich, Menschen wie ihn kennengelernt zu haben.
 
Über die Episode in Südafrika sollte ich noch über eine weitere Erfahrung sprechen. Ich war wirklich daran interessiert, mehr Einzelheiten über die Art und Weise zu erfahren, wie die Südafrikaner an die Nuklearwaffen gekommen waren. Ich hatte nur die sehr präzise Information, dass es nicht mehr als zehn oder zwölf Bomben waren. Eine sichere Quelle wäre das Buch des Professors und Forschers Piero Gleijeses: „Missionen in Konflikt: Havanna, Washington und Afrika 1959 –1976“ gewesen, eine ausgezeichnete Arbeit. Ich wusste, dass er die sicherste Quelle für die Ereignisse darstellte, und so sagte ich es ihm. Er antwortete mir, dass er nicht weiter über diese Sache gesprochen hatte, weil er in dem Text auf die Fragen des Compañero Jorge Risquet eingegangen sei, der kubanischer Botschafter oder Mitarbeiter in Angola und ein enger Freund von ihm war. Ich machte Risquet ausfindig, der mit anderen Aufgaben betraut, gerade dabei war einen Kurs zu beenden, der noch einige Wochen dauern würde.
 
Diese Aufgabe fiel zeitlich mit einer jüngeren Reise von Piero in unser Land zusammen. Ich hatte ihn darauf hingewiesen, dass Risquet schon betagt und seine Gesundheit nicht optimal sei. Ein paar Tage später geschah, was ich befürchtet hatte. Risquet ging es immer schlechter und er starb. Als Piero kam, gab es nichts zu tun, außer Versprechungen, aber ich hatte schon Information in Verbindung mit dieser Waffe erhalten, und über die Hilfe, die das rassistische Südafrika von Reagan und Israel erhalten hatte.
 
Ich weiß nicht, was Obama jetzt über diese Geschichte zu sagen hat. Ich weiß nicht, was er wusste oder nicht wusste, obwohl es sehr zweifelhaft  sei, dass er absolut nichts wissen würde. Mein bescheidener Vorschlag ist, dass er  nachdenkt  und jetzt nicht versucht, Theorien über die kubanische Politik auszuarbeiten.
 
Eine wichtige Frage besteht darin:
 
Obama hielt eine Rede, in der er die honigsüßesten Worte verwendete um auszudrücken: „Es ist an der Zeit, die Vergangenheit zu vergessen, lassen wir die Vergangenheit hinter uns, blicken wir in die Zukunft, lassen Sie sie uns gemeinsam erblicken, eine Zukunft der Hoffnung. Und es wird nicht einfach sein, es wird Herausforderungen geben, und denen werden wir Zeit geben; aber mein Aufenthalt hier gibt mir mehr Hoffnung für das, was wir gemeinsam  als Freunde, als Familien, als Nachbarn, zusammen tun können.“
 
Es ist anzunehmen, dass beim Hören der  Worten des Präsidenten der Vereinigten Staaten jeder von uns Gefahr lief, einen Herzinfarkt zu erleiden. Nach einer erbarmungslosen Blockade, die schon fast 60 Jahre andauert! Und diejenigen, die bei den Söldnerangriffen auf kubanische Schiffe und Häfen starben? Ein mitten im Flug gesprengtes Linienflugzeug voller Passagiere, Söldner-Invasionen, zahlreiche Gewalttaten?
 
Niemand sollte sich der Illusion hingeben, dass das Volk dieses edlen und selbstlosen Landes auf den Ruhm und die Rechte verzichten werde, oder auf den geistigen Reichtum, den es mit der Entwicklung von Bildung, Wissenschaft und Kultur gewonnen hat.
 
Ich weise außerdem  darauf hin, dass wir fähig sind, dank der Anstrengungen und der Intelligenz unseres Volkes die Lebensmittel und die materiellen Reichtümer zu produzieren, die wir brauchen. Wir haben keine Geschenke des Imperiums nötig. Unsere Bemühungen werden rechtmäßig und friedlich sein, denn sie entsprechen unsere Verpflichtung gegenüber dem Frieden und der Brüderlichkeit aller Menschen, die auf diesem Planeten leben.
 
 
 
Fidel Castro Ruz
 
27. März 2016
 
22.25 Uhr