DAS DARF NIEMALS VERGESSEN WERDEN (ZWEITER TEIL)
Comandante.- Wie alt war Ihr Vater, als er gestorben ist?
Junko Watanabe.- Er ist 98 Jahre alt, er lebt noch.
Ich möchte Ihnen gern versprechen, dass ich meine Botschaft weiter geben werde, mit dem Ziel, Ihnen die Gefühle meines bereits verstorbenen Bruders sowie die Botschaft aller Überlebenden weiter zu geben, damit die neue Generation der nächsten Generation unsere Zeugenaussagen übermitteln können. Vielen Dank (Beifall).
Comandante.- Verzeihen Sie mir bitte, wenn ich Ihnen ein paar Fragen stelle, da es wichtig ist, dass alle genau erfahren, was sie erzählt. Und natürlich, wenn sie nichts dagegen hat, werden wir dieses Treffen über das nationale Fernsehen übertragen. (Beifall) Wir sind sehr daran interessiert, dass unserer Öffentlichkeit von all dem Kenntnis hat, und es nicht nur hier übertragen wird, sondern auch in anderen Ländern, damit auch sie die Nachricht über dieses Treffen erhalten. Es ist äußerst wichtig, dass alle wissen, was dort passiert ist, unabhängig davon, was veröffentlicht oder verfilmt wurde, oder auch neue Dinge, die auftauchen.
Ich werde Ihnen später erklären, warum ich bestimmte Fragen neben diesen noch extra stelle.
Sie erzählte, dass sie mit ihrem Bruder im Hof des Nachbarhauses war, als sich die Explosion ereignete und die Staubwolke kam. Von anderen Personen, die sich dieses Momentes bewusst waren, weiß sie, wie lange es dauerte, bis jener Staub die dort anwesenden Personen erreicht hat.
Junko Watanabe.- Ungefähr 30 Minuten, aber es hat nicht überall geregnet, sondern nur dort, wo der Wind den Regen hingetragen hat.
Comandante.- Den Regen. Also gab es Regen und auch Asche.
Junko Watanabe.- Es gab keinen richtigen Ascheregen, sondern es war jene Mischung aus Staub und Regen, die auf sie zukam, aber nicht getrennt, sondern als ein einheitliches Ganzes, vermischt mit dem ganzen Schmutz und allem, was er mit sich gerissen hatte.
Comandante.- Gab es kein Dach, wo sie sich befand? War sie auf einem Hof?
Junko Watanabe.- Wir waren 18 km von der Stelle entfernt, wo die Bombe nieder fiel.
Comandante.- 18 km entfernt!
Dolmetscherin.- Ja, 18 km.
Comandante.- Gerade dies wollte ich Sie fragen. Es gab da eine Brücke, die, glaube ich, als der Punkt, als das Ziel bezeichnet wird, auf das die Bombe geworfen wurde. Das war also 18 km entfernt?
Waren deine Eltern unter Dach?
Junko Watanabe.- Meine Mama war mit meinem kleinen Bruder auf dem Arm vor dem Haus, und mein Papa war in Hiroshima. Er hat dort gearbeitet und kehrte nachts nach Hause zurück. Er war bei der Explosion in einem Gebäude. Er hat sogar das Flugzeug gesehen, das über Hiroshima kreiste.
Comandante.- Vor dem Abschuss, nicht wahr?
Und hat die Mutter auch Verbrennungen erlitten?
Junko Watanabe.- Nein. Denn da, wo wir waren, in 18 km Entfernung, dort kamen nur alle diese verbrannten Papiere, diese Welle, dieser Wind hin, aber Verbrennungen an sich haben wir nicht gehabt.
Wenn wir ein bisschen näher dran gewesen wären, das heißt, näher am Epizentrum, würden wir, glaube ich, heute hier nicht sein, um davon zu erzählen.
Comandante.- Einverstanden.
Ich wollte Ihnen erzählen, dass wir vor kurzem einen hoch angesehenen Wissenschaftler zu Besuch hatten, einen emeritierten Professor der Rutgers-Universität aus New Jersey. Er ist der Autor der Theorie des nuklearen Winters. Unserer Meinung nach ist das sehr wichtig, weil es zu den gegenwärtigen Gefahren in Bezug steht, denen die Menschheit gegenüber steht. Und es gibt vieles, was man nicht weiß.
Dieser Professor hat unser Land besucht und auf einer Veranstaltung mit Wissenschaftlern eine hervorragende Präsentation seiner Theorie gegeben, einer sehr anerkannten Theorie. Meiner Meinung nach ist sie unwiderlegbar. Sie beschäftigt sich mit den Folgen eines Nuklearkrieges. Sie handelt weniger von der unmittelbaren Zerstörung, die enorm sein wird, sondern analysiert die Gefahr, die bereits ein regionaler Nuklearkrieg für die Menschheit mit sich bringt, geschweige denn ein globaler Krieg.
Er geht vom heutigen Zeitpunkt aus, der sehr viel anders ist als damals, als die erste Atombombe abgeworfen wurde. Er berücksichtigt die jetzige Situation, wo mehr als 25.000 Nuklearwaffen weltweit vorhanden sind. Ich vermute, dass viele der hier Anwesenden diese Daten kennen. Der Wissenschaftler bestätigt, dass 100 Nuklearexplosionen reichen, um den von ihm genannten nuklearen Winter auszulösen.
Er begründet seine Theorie mit einer Reihe von Untersuchungen nordamerikanischer und sowjetischer Wissenschaftler -vor dem Zusammenbruch der Sowjetunion- über die Folgen der Explosion mehrerer Atombomben in einem Krieg. Sie haben berechnet, dass ungefähr 100 nukleare Explosionen reichen, um das menschliche Leben auf dem Planeten auszulöschend, d.h., dass ein Krieg zwischen Indien und Pakistan, zum Beispiel, mit den in ihrem Besitz befindlichen Atomwaffen ausreichen würde, um unsere Gattung zu vernichten.
Mir scheint es, obwohl Sie sicher ausreichend Informationen dazu haben, dass wir Ihnen eine Kopie des Vortrages von Alan Robock geben können, so heißt der Professor, der vor kurzem genau hier, in diesem selben Monat, den Vortrag gehalten hat. Der Vortrag enthält wertvolle Daten, die für Sie nützlich sein könnten, um die Folgen bekannt zu machen, nicht nur wegen des Schadens, den diese jetzt natürlich viel wirkungsvolleren, genaueren und schnelleren Waffen verursachen. Die Schlagkraft der heute existierenden Waffen ist 440.000 Mal höher als die Sprengkraft einer der Bomben, die in Japan über Hiroshima oder Nagasaki abgeworfen wurden. Beide wurden getestet, eine aus Uran und die andere aus Plutonium. Man beherrscht diese Technologien und die Waffen haben eine totale Treffsicherheit.
Die von den Großmächten getroffenen Maßnahmen sind praktisch wertlos, da sie keine wirkliche Waffenreduzierung bedeuten.
Ich hätte da eine Idee, dass Ihre Organisation mit ihm Kontakt aufnimmt, er ist ein großzügiger Mann, und er für Sie einen Vortrag über dieses Problem halten könnte.
Ich habe ihn über den Nebel befragt, denn er erklärte und zeigte, dass infolge der nuklearen Explosionen alles brennt, das Holz, aus Erdöl gewonnene und viele andere Produkten brennen, wie er erklärte; und vermischt mit der Erde ergeben sie hohe Konzentrationen von Staub. Er hat alles untersucht, was passiert wenn 2 oder 10 oder 100 explodieren, da gibt es eine Grenze. Diese Staubwolke würde sich in einem bestimmten Zeitraum über die ganze Welt ausdehnen, ich glaube in nicht mehr als drei Wochen, und die Temperatur würde unter den Gefrierpunkt sinken. Das bedeutet zum Beispiel, dass monatelange nur Nacht herrscht, das Sonnenlicht kann nicht durchdringen. Es gibt keine Produktion von Nahrungsmitteln mehr, die Folgen sind schrecklich; mehr als 6 Milliarden Menschen hätten keine Lebensmittel, abgesehen von der Kälte.
Als er seinen einstündigen Vortrag anhand von Landkarten und Skizzen beendete, habe ich ihm eine Frage gestellt. Es wurden alle Auswirkungen von Vulkanausbrüchen, die Ausbreitung des Staubes nach jedem Ausbruch untersucht, einschließlich des kürzlich in Island, in Europa ausgebrochenen, der sehr ernste Probleme verursachte. Es wurden die großen Brände untersucht, die aus natürlichen Gründen oder als Folge eines Krieges oder eines Unglücksfalls ausgebrochen sind. Ich fragte ihn also: „Wie viel Personen auf der Welt kennen diese Information, die Sie uns gegeben haben?“. Er sagte: „Fast niemand.“ Und ich fragte weiter: „Und in Ihrem eigenen Land, Wie viele Personen kennen das?“ Er sagte mir: „Ganz wenige“. Dann sage ich zu ihm: „Wie kann man sich dieses Phänomen erklären?“ und fügte noch hinzu: „Vielleicht soll man das untersuchen, Fachleute für Psychologie und anderer Zweige suchen, die eine Erklärung für dieses Phänomen finden“, und er sagte darauf: „Ich habe die Antwort: das nennt man Negationszustand.“ Er sann nach, dass, wenn schreckliche Ereignisse eintreten könnten, die Leute solche Informationen ablehnen, weil sie für unglaubwürdig halten.
Diese Erklärung von ihm könnte man durch eine andere ergänzen, die mit den Medien verbunden ist, der Monopolisierung der Medien. Was auf der Welt passiert, wird trotz der modernen Mittel wie Rundfunk, Fernsehen und Film so manipuliert, dass die Ereignisse zwar passieren, aber nicht erklärt werden, und tatsächlich viele der wichtigsten Ereignisse auf der Welt nicht bekannt sind, oder man bringt die Nachricht, analysiert sie aber nicht. Darüber gibt es bedeutende Bücher, über die Monopolisierung der Massenmedien. Die Wahrheit wird verborgen gehalten, man kennt sie nicht. Das sind zwei Phänomene.
Ich habe erklärt, dass wir hinsichtlich der möglichen Herausbildung eines Bewusstseins nicht pessimistisch waren. Ich sage Ihnen: Man kann Bewusstsein schaffen oder auch nicht. Natürlich, wenn die Bevölkerung nicht schreiben oder lesen kann, kann man nicht einmal den Versuch machen. Wenn eine Gesellschaft so ein Wissensniveau hat, wie es die japanische Gesellschaft hat, dann kann man heute mit eigenen Werbemitteln, nicht nur schriftlich, sondern auch mit Worten, Bildern, Musik und vielen anderen Formen ein Bewusstsein schaffen.
Ich sage Ihnen, dass das in Kuba der Fall war, als die Leute weder lesen noch schreiben konnten…Was kann ein Mensch tun, der nicht lesen und schreiben kann? Ob man die sechste Klasse erreicht oder nicht, ob man das Abitur erreicht oder nicht, ob hunderttausend an der Universität studieren, ob sie gute Professoren haben, das macht den Unterschied. Die Revolution hat sich nicht mit Gewalt verteidigt, sondern mit Wissen und Bewusstsein. Wie hätte ein kleines Land wie Kuba fünfzig Jahre lang Blockade und Anfeindungen aushalten können? Sie dachten, sie könnten das Land auf Knie zwingen, oder könnten es betrügen, aber sie konnten es nicht. Das ist, meines Erachtens, ein Beweis dafür, dass man Bewusstsein schaffen kann; denn wenn wir die Idee aufgeben, dass Bewusstsein herausgebildet werden kann, was würde dann wohl aus Ihrer Arbeit werden? Denn Sie reisen durch die ganze Welt, um alles zu erklären; Sie nehmen Leute mit, die das miterlebt haben; Sie erzählen von wirklich grausamen Ereignissen. Und es wird mir noch deutlicher, was Sie tun, weil Sie das fühlen. Sie haben Leute dabei, die das erlebt haben, und Sie haben die Bilder und vieles mehr.
Ich war in Hiroshima und habe das Museum besucht. Dort hat man mir alles erklärt: Was geblieben ist und was nicht. Eines der grausamen Bilder menschlicher Tragödie waren eben die Abbilder der Kinder, die noch nicht geboren waren, die werdenden Mütter, die noch einen Monat, oder zwei oder drei bis zur Entbindung hatten. Diese Bilder sind dort dargestellt und sind sehr schockierend. Ich denke, es gibt genug Material, um das zu schaffen. Ich würde sagen, dass es heute ein viel stärkeres Bewusstsein gibt, aber es ist noch mehr nötig. Tatsache ist, dass heute die ganze Menschheit von etwas genauso Grausamen bedroht ist, wovon Sie erzählt haben, wahrscheinlich noch entsetzlicher. Wir haben es aus dem Munde von Personen gehört, die sich in der Region befanden, wo die erste Bombe detonierte, über den Schmerz der Sterbenden, der Brennenden, der Verletzten oder Verstrahlten, die noch über 50 Jahre gelebt haben. Vor 65 Jahre hat es jene Explosionen gegeben, und heute bedrohen tausende noch stärkere und präzisere die Menschheit.
Der Wissenschaftler bekräftigt die Theorie, dass, je mehr Atomwaffen ein Land hat, desto geringer seine Möglichkeiten für Frieden und Sicherheit sind. Er setzt sich für die Vernichtung aller Kernwaffen ein. Aber ich gehe noch ein Stück weiter. Wenn nur die nuklearen und nicht die konventionellen Waffen abgeschafft werden, läuft es fast auf dasselbe hinaus.
Die Vernichtungskraft der konventionellen Waffen ist heute enorm. Eine Splitterbombe mit Wolfram gefüllt in einem schweren Sprengkopf -und das ohne Anwendung der Kernenergie- erreicht im Weltall eine Geschwindigkeit von 25.000 km/h, d.h., das 20-fache an Schallgeschwindigkeit, und verringert sich dann auf etwa 20.000 km/h. Das darunter liegende Gebiet wird total vernichtet. Da bleibt kein Gefechtsstand, keine Regierung, von diesem Zielobjekt bleibt nichts übrig. Das wurde veröffentlicht und erläutert. Der vergangene Weltkrieg hat 50 Millionen Menschenleben gekostet, Opfer konventioneller Waffen, ohne die Opfer und Schäden an Menschenleben der beider Atombomben mitzurechnen, die über 150.000 Tote und eine noch größere Anzahl an Menschen mit Verbrennungen, Verstrahlung oder andere Schäden verursacht haben. Zerstörung, Hunger und Krankheiten betrafen in jenem Krieg einen großen Teil der Welt. Würde es einen neuen Weltkrieg geben, wäre das der letzte, einen nächsten wird es nicht geben.
Selbst Einstein sagte, dass er nicht wüsste, wie ein Weltkrieg im Atomzeitalter aussehen würde, aber der nächste Krieg wäre einer mit Pfeil und Bogen.
Ich habe einen Brief mitgebracht, den mir Robock, der erwähnte Wissenschaftler, geschickt hat, in dem er mir auf eine Frage antwortet, die ich ihm gestellt habe, als er sich bereits auf dem Flughafen befand, um in sein Land zurückzukehren. Während seines Vortrages hatte er einige Daten über den Planenten Mars genannt. Ich habe ihn angerufen und gefragt, wo ich noch weitere Informationen über diesen Planten finden könnte. Er erklärte mir, dass der Mars eine Atmosphäre habe, das habe ich aufgrund der geringen Dicke der Schicht nicht gewusst. Er hat versprochen, Informationen zu schicken,
Zwei oder drei Tage später hat er sie geschickt.
„Der Mars verfügt über eine Atmosphäre, die weniger dick als die der Erde ist, mit nur 7% Luftanteil. Das entspricht der Luftdichte der Erde auf 21 km Höhe“.
„Die Atmosphäre auf dem Mars”, fügte er hinzu, “besteht fast vollständig aus Kohlendioxid.“
Diese Information hat mit unseren Ausführungen zu tun, nämlich dem Effekt der nuklearen Explosionen; den Konsequenzen für das Klima. Was ist zur Umwelt gesagt worden? Was ist zum Klimawandel gesagt worden? Besteht vielleicht dieses ernsthafte Problem gar nicht? Hat man vielleicht dazu gar nicht recherchiert? Gibt es vielleicht keinen hervorragenden Film, der in Zusammenarbeit mit den eminentesten Wissenschaftlern auf dem Gebiet des Klimawandels gedreht wurde, Seine Auswirkungen auf die Niederschläge, die Wirtschaft und das Leben der Menschen? Das hat man untersucht als Folgeproblem des Klimawechsels. Also, es braucht nicht auf einen nuklearen Krieg gewartet zu werden, um das Leben auf unserem Planeten verschwinden zu lassen. Ja, ich wiederhole, es bedarf keinen nuklearen Krieg, damit das Leben auf unseren Planten verschwindet.
Die Wirtschaft und das Leben der Nationen stützen sich heute auf den Verbrauch nicht erneuerbarer Rohstoffe. Der wichtigste davon ist das Erdöl, das in einem Umfang von fast Hundert Millionen Barrels pro Tag verbraucht wird.
Man bedenke, das Erdöl brauchte für seine Entstehung aus lebender Materie Hunderte Millionen Jahre.
Etwa 400 Millionen Jahre waren nötig für die Entstehung von Erdöl, Gas und Kohle. In welchen Zeitraum verbraucht nun der Mensch das Erdöl, für das die Natur 400 Millionen Jahre gebracht hat? In zirka 130 Jahren haben die Menschen bereits mehr als die Hälfte dieses Brennstoffes verbraucht, der anderseits schreckliche Auswirkungen auf die Umwelt hat. Das so reichlich auf dem Mars vorhandene Kohlendioxid ist es, was durch die Verwendung von Petroleum entsteht. Diese Faktoren sollten die Menschheit unbedingt kennen, bekämpfen und lösen. Das ist der Preis für ihre Existenz.
Die Bevölkerung darf nicht unbegrenzt wachsen, denn unser Planet auf dem wir geboren wurden und leben, hat seine Grenzen. Wenn ich mich nicht irre, wird die Bevölkerungsanzahl für das Jahr 2050 mit mehr als neun Billionen berechnet. Vor nur 200 Jahren waren es gerade einmal eine Milliarde. Die Folgen, die das in Bezug auf Wasser, Nähungsmittel, Energie und Rohstoffe mit sich bringt, sind wahrhaft außerordentlich.
Japan ist ein Land dessen Oberfläche für die vorhandene Bevölkerung ziemlich begrenzt ist. Heute nähert sich die Anzahl bereits 130 Millionen, soweit mir bekannt ist. Es heißt, es ist die Nation mit der höchsten Lebenserwartung und Träger einer hohen Kultur und seine Bevölkerungszahl werde sich stabil auf etwa über 100 Millionen Personen halten. So ist es möglich, die Stabilität zu erreichen.
Euer Nachbarland China ist bei der Umsetzung einer rigorosen Bevölkerungspolitik. Praktizierte es diese Politik nicht, gäbe es heute in China annähernd drei Milliarden Einwohner. In China und Indien zusammen lebt fast die Hälfte der Weltbevölkerung.
Das sind Realitäten. Die Menschen müssen den Mut haben, sich mit ihnen bekannt zu machen und sie zu bekämpfen, so wie ihr es tut hinsichtlich der furchtbaren Folgen der nuklearen Explosionen. Für die künftige Generation müssen die unerlässlichen Bedingungen für ein natürliches und so vollkommen wie mögliches Leben vorhanden sein.
Aber das ist es nicht, was zurzeit geschieht. Jährlich sterben etwa 8 bis 10 Millionen Menschen an Hunger oder Mangel an ärztlicher Betreuung. Und darüber, wer sagt etwas darüber? Nur einige Wissenschaftler und Politiker. Doch darüber hört man kaum reden. Das große Monopol interessiert dieses Thema nicht.
Ich weiß, dass Sie für diese Reise uns um einen Arzt mit internationalistischer Erfahrung gebeten haben; nicht um einen, der es werden will. Von diesen kubanischen Ärzten gibt es Tausende in vielen Ländern. Sicherlich wären Sie überrascht, wenn Sie beispielsweise hörten, was unser kleines Land für andere Völker tun kann. Worüber ich spreche, sind keine undurchführbaren Aktivitäten.
Matsumi Matsumura.- Comandante, was ich noch sagen wollte, als Sie den internationalistischen Arzt ansprachen ….
Comandante.- Ist er hier?
Matsumi Matsumura.- Ja.
Comandante.- Wo ist er? Er soll doch bitte die Hand heben.
Mal sehen, ob ich dich so besser sehen kann.
Man sagte mir, du seiest in Haiti gewesen, stimmt das?
Matsumi Matsumura.- Herr Dr. Liván Torero hat sehr viel für die Leute in Haiti nach dem Erbeben gearbeitet und wir luden ihn auf unser Schiff des Friedens ein, damit er uns seine Erlebnisse und Erfahrungen in Haiti zu berichten. An seiner Seite José Ramón, der Salsa-Tänzer; denn für uns ist das Kennen lernen Ihrer Kultur sehr wesentlich. Ich denke, das ist ein traditioneller Tanz und wir haben viel über Salsa gelernt.
Also, noch einmal ganz herzlichen Dank für die Einladung. Vielen Dank, Comandante. (Beifall)
Comandante.- Ich gratuliere auch und vielen Dank. Ich habe ihn erwähnt, weil ich genau Bescheid weiß über alles was dort getan wird und wollte Haiti als einen Beweis dessen nennen, wozu das Bewusstsein fähig ist.
Sogar in Bolivien gibt es nahezu 2 000 Ärzte an verschiedenen Orten. In Ecuador - mit 15 Millionen Einwohnern – helfen sie bei der Untersuchung und Betreuung aller Personen, die aus genetischen oder anderen Gründen behindert sind oder blind oder taub geboren wurden. Wenn ein Kind nicht hören kann, bleibt es stumm; wenn es die Laute nicht kennt, kann es sie nicht aussprechen. Viele dieser Probleme können nur mit einem kleinen Gerät gelöst werden, sie brauchten nur einen Kopfhörer um sich unterhalten zu können.
Sind sie von Geburt an gehör- und sehgeschädigt, dann wird das Ganze etwas komplizierter. Wie kann das Leben einer blinden und taubstummen Person verlaufen, die nie etwas gehört oder gesehen hat?
Ich kenne die Ergebnisse des Cochlearimplantats und wie sie beginnen zu hören, zu sprechen, Musik zu hören und die Welt kennen zu lernen; ihr Leben wird ein ganz anderes.
Ich glaube, dass die Gesellschaft die Eltern informieren soll, auch über die Risiken. In bestimmten Fällen sollten sie keine Kinder zur Welt bringen. Ich bin der Meinung, dass jedes Kind mit all seinen Potenzialitäten zur Welt kommen soll.
Falls es aus gewissen Gründen mit nicht erblichen Behinderungen geboren wird, sollte man alles Mögliches für die Verbesserung der Lebensqualität dieser Personen getan werden. Kinder die nicht ernährt werden können, die nicht erzogen und ausgebildet werden können, die kein normales Leben führen können, oder deren Leben eigentlich sich nicht lohnt, sollten nicht gezeugt werden.
Ich verstehe, dass nicht alle genau wie ich denken, es gibt religiöse Einflüsse, ich respektiere all dies; aber ich äußere meine Meinung ganz ehrlich und sage ich auch warum. Für den heutigen Menschen geht es um das berühmte Problem Sein oder Nicht Sein, ob diese Gattung überleben wird oder nicht, die wahrhaft den anderen Lebewesen schon viel Schaden zugefügt hat. Der Mensch hat seit seiner Entstehung alles durcheinander gebracht. Bis jetzt ist die Intelligenz des Menschen für die Natur eine Tragödie gewesen. Bis heute ist der Intellekt des Menschen eine Tragödie für die Natur gewesen und mit den Kernwaffen könnte so ein schwerwiegendes Problem entstehen, wie bei dem berühmten Asteroiden, der im mexikanischen Tehuantepec vor mehreren Millionen Jahren gefallen sein soll und einen langen Winter bewirkt hat.
Keine andere Gattung hat sich so verhalten, sie alle haben das Gleichgewicht mit der Natur mehrere Milliarden Jahre, ungefähr vier Milliarden Jahre halten. Der Mensch kam zuletzt. Diese denkende Gattung existiert seit weniger als 200 000 Jahren - ich würde sagen, dass sie ihre Denkeigenschaft noch zu beweisen hat, ob sie fähig ist zu überleben. Verzeihen Sie mir, wenn ich über unsere Dummheiten so grob spreche. Das einzige was bis heute bewiesen wurde ist, dass vor uns keine ähnliche Gattung Mensch existiert hat.
Nun gut, alle diese Probleme sind miteinander verbunden und ich glaube, man sollte gemeinsame Ansatzpunkte finden, um diese Schlacht zu gewinnen, die das Ziel alle Menschen sein soll. Und erst dann könnte man viel Schönes schaffen.
Wie viel wissenschaftlich gut ausgebildete Personen, wie viel Genies gibt es auf der Welt? In den Vereinigten Staaten sind 80% der Ingenieure im militärischen Bereich tätig. Sie kreieren die wissenschaftlichen und technischen Mittel der Zerstörung und Tötung auf der Basis des perfiden Systems, das sie dazu geführt hat.
Unser Bestreben ist es, dass die Menschen ein hohes intellektuelles Niveaus erreichen. Zufälligerweise habe ich auf dem Weg hierher einige Nachrichten gelesen, und eine davon war, dass Kuba den ersten Platz in der Welt im prozentualen Anteil von immatrikulierten Studenten in Hochschuleinrichtungen einnimmt. Venezuela liegt auf dem fünften Platz. Den zweiten, dritten und vierten Platz belegen die Republik Korea, Finnland und Griechenland. Die Vereinigten Staaten waren hinter uns auf dem sechsten Platz.
Ich habe den Arzt zitiert, denn diese Männer und Frauen – in der Mehrheit sind es Frauen - arbeiten in Bolivien, Nicaragua, Venezuela und viele andere Ländern der Dritten Welt. Aber warum? Ich wundere mich, sie kommen, z.B., 15 Tage auf Urlaub, möchten dann aber so schnell wie möglich zu ihren Arbeitsplätzen zurückkehren. Sie vermissen ihre Patienten, und wenn man erst die Patienten hört, wie gut sie über diese Ärzte sprechen! Das ist ein Ergebnis des Bewusstseins, das hat man nirgendwo gekauft, das tut man nicht für Geld.
Die Aufgabe, die die Genossen in Haïti erfüllen, ist ein Ergebnis des Bewusstseins. Deshalb erlaube ich mir, über Bewusstsein zu sprechen, denn ich habe gesehen, dass das Bewusstsein die Revolution ermöglichte, den Widerstand ermöglichte, unabhängig von den Kritiken uns gegenüber, oder von den Irrtümern, die wir begehen können, weil kein menschliches Werk perfekt ist. Wir fürchten keineswegs, über Fehler zu sprechen, Das einzige, was nicht verziehen werden kann, ist das, was man bewusst zum Nachteil anderer tut.
Es gibt kein perfektes menschliches Werk, aber wir glauben daran, wenn wir das nicht glauben würden, dann würden wir heute nicht tun, was wir tun, und auch Sie würden nichts so Bemerkenswertes tun, wie es der Fall ist.
Es tut mir leid, dass ich zuviel Zeit in Anspruch genommen habe.
Morgen geht es weiter.
Fidel Castro Ruz
25. September 2010
12:14 Uhr